Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
anderen
Ende der Koppel zu. Lucie klammerte sich mit Händen und Füßen an das Pferd, und
wappnete sich für den Sprung über den Lattenzaun. Dann waren Pferd und Reiterin
mit einem mächtigen Satz über den Zaun hinweg und galoppierten auf dem offenen
Feld dahin. Lucie drosselte das Tempo mit einem leichten Schenkeldruck und
wagte einen Blick über ihre Schulter zurück. Die beiden Entführer machten
soeben kehrt und liefen in den Wald zurück. Lucie vermutete, dass sie zu ihrem
Wagen zurückkehrten und versuchen würden, einen Weg hier herauf zu finden. Sie
musste so schnell wie möglich ein Telefon finden. Zwischen zwei lang
gestreckten und abgemähten Wiesen entdeckte sie einen Feldweg. Sie lenkte das
Pferd darauf zu und folgte dem Verlauf. Bald zweigte ein weiterer Weg rechts
ab, der gut sichtbar in ein altes Bauernhaus aus Naturstein mündete. Sie hielt
auf dem reichlich mit Federvieh bevölkerten Hof an, stieg aber nicht ab, aus
Angst, das Pferd könnte sich ohne sie davon machen.
"Hallo,
hallo ist hier jemand?", rief sie mehrmals laut, bekam jedoch keine
Antwort. Es war niemand zu Hause - außer den Hühnern, die gackernd und
flügelschlagend gegen das Pferd auf ihrem Hof protestierten. Lucie kehrte um
und verfiel auf dem Feldweg erneut in einen leichten Galopp. Er war breit genug
für einen Wagen und es würde nicht lange dauern, bis die Entführer ihn entdeckt
hatten. Er stieg nun leicht an und nach einer scharfen Rechtskurve schien er in
einem Hügelkamm zu münden, auf dem ein weiteres Rustico aus Naturstein stand.
Zu ihrer großen Erleichterung erkannte Lucie schon von Weitem eine Frau auf dem
Hof, die dabei war emsig Mist von einer Schubkarre auf einen großen Haufen in
einer Grube zu schaufeln. Als die Frau das Pferd hörte, das bei ihrem Anblick
laut wieherte, ließ sie die Mistgabel sinken und sah ihnen mit offenem Mund
entgegen.
Lucie
hielt das Pferd neben ihr an, doch bevor sie noch irgendein Wort sagen konnte,
legte die Frau, die aus Nähe sehr viel älter wirkte, los: "Was fällt Ihnen
ein? Wer sind Sie und was machen Sie auf unserer Monalisa? Steigen Sie sofort
ab."
Lucie
verstand kaum, was sie sagte, da die alte Frau mit einem starken Dialekt mit
viel „Sch“ sprach. Es klang beinahe wie schwäbisch eingefärbtes Italienisch.
Plötzlich jedoch war der wütende Ausdruck im Gesicht der Alten wie weggewischt
und entsetzt starrte sie Lucie an.
Völlig
auf das Pferd fixiert, war der alten Bäuerin zunächst der derangierte Zustand
der jungen Frau entgangen.
Mit
der properen Erscheinung am Morgen in Rom hatte Lucie nichts mehr gemein. Bei
der verzweifelten Flucht über die Böschung und durch das dichte Gehölz waren
ihre Bluse und Shorts an mehreren Stellen zerrissen und sie blutete aus
mehreren Schrammen und einem Riss auf der Wange. Erschrocken ließ die alte Frau
ihre Mistgabel fahren und schlug ihre faltigen, abgearbeiteten Hände vor dem
Gesicht zusammen:
"Signorina,
dio mio. Was ist denn mit Ihnen geschehen?"
Lucie
glitt langsam vom Pferd. Jetzt machte sich der Schock erst richtig bemerkbar.
Ihre Beine fühlten sich an wie zwei Gummischlangen. Schwankend hielt sie sich
am Pferdehals fest. Die alte Bäuerin bemerkte ihre Schwierigkeiten und griff
mit erstaunlich kräftiger Hand nach ihrem Arm.
Lucie
lächelte sie dankbar an: "Mein Name ist Lucie von Stetten. Ich wurde heute
Morgen aus meiner Wohnung in Rom entführt. Aber Dank ihrer Monalisa hier,
konnte ich den Kerlen entwischen." Sie lehnte immer noch am Pferd, das
jetzt zufrieden wieherte. Der warme, dampfende Pferdeleib hatte etwas
Tröstliches für sie. "Signora,
ich brauche Ihre Hilfe. Ich muss so schnell wie möglich weg von hier. Die Kerle
sind immer noch hinter mir her. Könnte ich bei Ihnen bitte telefonieren?“
"Natürlich,
natürlich. Kommen Sie nur ins Haus, Signorina. Lassen Sie die Monalisa ruhig
hier draußen stehen, die findet von alleine in ihren Stall." Nachdem die
Bäuerin durch Lucies Aussprache bemerkt hatte, dass sie keine Italienerin vor
sich hatte, bemühte sie sich, ihren eigenen Dialekt zu unterdrücken und ein
deutlicheres „Hochitalienisch“ zu sprechen. Geschäftig, beinahe beschwingt
eilte sie ihrem unerwarteten Gast zum Haus voraus und Lucie konnte sich des
Eindrucks nicht verwehren, dass der Alten die Unterbrechung ihrer alltäglichen
Monotonie im Austausch für einen kleinen Anteil an einem Abenteuer nicht
ungelegen kam.
Lucie
folgte ihr durch die niedrige Eingangstür in den halbdunklen,
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