Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
hatte.
Das
Krankenhaus erwachte gegen halb sieben Uhr mit der gewohnten Aktivität eines
routinierten Tagesablaufes und Lucie und Jules kehrten zurück. Mit Lucie
schwappte die übliche Portion Energie und Zuversicht in den Raum. In ihrer
Begleitung befand sich von Stetten senior. Lukas informierte sie kurz, dass
sich in der Zwischenzeit nichts Neues ergeben hatte und Lucie übernahm das
Zepter. Sie hatte nun leichteres Spiel mit Lukas. Mit gewohnter Tatkraft hatte
sie die Stationsschwester überredet, ihren Bruder ausnahmsweise in einem der
den Patienten vorbehaltenen Waschräumen duschen zu lassen. Erstaunlich, was
Wasser, Seife und frische Kleider bewirken konnten. Als er nach einer
Viertelstunde mit feuchten Haaren zurückkehrte, sah sich Lukas, bis auf die
trüben Augen, die ihr einst strahlendes Blau eingebüßt hatten, beinahe wieder
selbst ähnlich.
Der
köstliche Duft nach gutem frischem Kaffee schlug ihm entgegen. Seine Schwester
hatte inzwischen gründlich gewirbelt. Der Tisch war von der unordentlichen
Ansammlung Plastikbecher befreit und aus dem mitgebrachten Picknickkorb hatte
sie Hörnchen und heißen Capuccino in wieder verschließbaren Bechern auf den
Tisch gezaubert. Neben einer Flasche Orangensaft lag ein Stapel ihrer
unvermeidlichen, quietschbunten Servietten, die dem nüchternen Raum eine
ungewohnt unbeschwerte Note verliehen. Lukas´ Versuch, sich jeglicher
Nahrungsaufnahme zu verweigern, scheiterte augenblicklich an der
schwesterlichen Autorität. Sie nötigte ihm ein Hörnchen mit der Warnung auf,
ihn notfalls Stückchen für Stückchen damit zu füttern. Lukas zog es vor, klein
beizugeben und fügte sich der Lucieschen Gewalt, wie er es nannte. Von Stetten
senior war bereits von Lucie und Jules auf den neuesten Stand der Ereignisse
gebracht worden. Zudem hatte er gute und schlechte Neuigkeiten mitgebracht. Die
schlechte war, dass die Leiche der Professorin nicht aufgefunden worden war,
weder im Monitorraum noch sonst wo im Haus. Entgegen Lukas’ Annahme schien sie
nicht tot gewesen zu sein und hatte sich entweder mit eigener Kraft davonmachen
können, oder sie hatte dazu Hilfe gehabt. Grassa hatte sofort eine Großfahndung
nach ihr eingeleitet, alle Flughäfen informiert und rund um die Ausfallstraßen
Roms waren Straßensperren errichtet worden. Zur Stunde durchsuchte ein
Spezialteam immer noch die Residenz der van Kampen auf eventuelle Geheimgänge,
durch die ihr die Flucht gelungen sein könnte. Das Haus selbst war außer
einigen wenigen Möbeln gründlich leer geräumt gewesen und es fanden sich
keinerlei Unterlagen oder Computer, die Hinweise auf die geheimen
Machenschaften der van Kampen hätten geben können. Auch ihre verhafteten Männer
schwiegen bis dato eisern. Einen ersten Fahndungserfolg im Mordfall Bentivoglio
gab es trotzdem: Interessanterweise befand sich unter den im Haus Verhafteten
der neue Sekretär des ermordeten Pater General, was zumindest auf eine
Verbindung der van Kampen zum Mord an Bentivoglio schließen ließ. Neben Lukas
gab es nun einen zweiten Mordverdächtigen und Grassa ging der Spur bereits
nach. Auf Drängen seines Ministers hatte der Commissario auch alle wichtigen
europäischen Polizeibehörden von Scotland Yard über Interpol und Europol mit in
die Fahndung einbezogen. Als Lukas hörte, dass die angeblich tote Holländerin
vermutlich gar nicht tot war, kam ihm zu Bewusstsein, dass er bis zu diesem
Zeitpunkt keinen einzigen Gedanken an deren Tod verschwendet hatte. Obwohl es
ein bedauerlicher Unfall gewesen war, wäre er persönlich mitverantwortlich für
den Tod eines Menschen gewesen. Rabeas kritischer Zustand hatte zunächst
verhindert, dass er sich darüber mit seinem Gewissen auseinandersetzen musste.
Nun ließ ihn die Nachricht, so schlecht sie im Grunde auch war, innerlich
aufatmen. „Wie ist Rabea der Holländerin überhaupt auf die Spur gekommen?“,
erkundigte er sich jetzt.
„Ich
glaube, diese Frage kann ich beantworten“, meldete sich Jules zu Wort. „Um
Rabea und Simone aufzuspüren, habe ich gestern Rabeas Recherchen
zurückverfolgt. Wie Rabea haben mich diese Hinweise zu dem angemieteten Haus
der van Kampen geführt. Ich gehe davon aus, dass Rabea zuvor in den Dokumenten
Bentivoglios auf einen Namen oder eine Information gestoßen sein muss, die sie
mit den mysteriösen Ereignissen in Verbindung bringen konnte. Auf jeden Fall
hat sie über einen befreundeten Journalisten in Berlin versucht, möglichst viel
über die van Kampen
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