Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
drückte ihm eines aus dem dick
Vanillecreme quoll, in die Hand, während sie in die große Papiertüte spitzte,
um nach einem anderen zu angeln. Ihr Bruder griff mechanisch zu, biss aber
nicht hinein.
Jules
hingegen verschlang wortkarg ein Hörnchen nach dem anderen. Lucie musterte
ihren Freund unauffällig von der Seite. Irgendetwas stimmte nicht mit ihm. Sie
hatte sich bereits gefragt, ob sich hinter seinem Benehmen mehr verbarg als nur
die Sorge um Rabea. Inzwischen war sie sich dessen ziemlich sicher und sie nahm
sich vor, ihn bei nächster Gelegenheit unter vier Augen darauf anzusprechen.
Von
Stetten senior kehrte noch einmal in den Saal zurück: "Lukas, auf ein
Wort. Kann ich dich alleine sprechen?"
"Bitte
Vater, können wir nicht später reden?", versuchte dieser abzuwehren.
"Bitte.
Es ist sehr wichtig. Wir können nach unten gehen und uns in meinen Wagen
setzen. Falls sich hier etwas Neues ergibt, kann Lucie dich jederzeit holen.
Kommst Du?" In seiner Stimme klang ein dringlicher Unterton durch, der
sowohl Lukas als auch seine Schwester aufhorchen ließ.
"Ja,
natürlich, wenn es dir so wichtig ist", erwiderte Lukas verwirrt und
folgte seinem Vater hinaus. Stumm öffnete ihm dieser die Beifahrertür und ging
dann um den Wagen herum, um selbst hinter dem Steuer Platz zu nehmen.
Ohne
Umschweife, wie es seine Art war, kam der alte Patriarch sofort auf den Punkt:
"Die Sache ist die, Lukas: Ich weiß, warum mein Bruder Franz ermordet
wurde. Es ist an der Zeit, dass ich dich in unser Familiengeheimnis einweihe.
All diese unglückseligen Ereignisse, die abscheulichen Morde an Franz und dem
Pater General und auch Lucies Entführung stehen im direkten Zusammenhang. Ich
selbst habe es erst vor drei Monaten durch Franz erfahren, er selbst ist nur
durch einen unglaublichen Zufall darauf gestoßen. Bitte hör mir jetzt zu,
Lukas, und warte, bis ich zum Ende gekommen bin. Ich werde dich nicht darum
bitten, dass das, was ich dir nun anvertrauen werde, unter uns bleiben muss -
ich weiß, ich könnte dich nicht dazu zwingen. Aber du wirst danach eine Entscheidung
treffen müssen. Das einzige, um was ich dich bitte, ist genau abzuwägen, welche
Folgen dein Handeln für unsere Familie und unser Unternehmen haben wird."
Lukas
reagierte auf die einleitenden Worte seines Vaters wie vor den Kopf geschlagen;
es war das Letzte, was er erwartet hatte zu hören und er fühlte sich ähnlich
verwirrt und überfahren, wie vor zwei Tagen, als ihn Bentivoglio mit seinem
ungeheuerlichen Schuldeingeständnis konfrontiert hatte.
"Vor
drei Monaten kehrte ich von einer Geschäftsreise aus Asien zurück und fand
deine Mutter völlig aufgelöst inmitten einer riesigen Baustelle vor, die einmal
meine schöne Bibliothek war. Das einzige, was sie dazu zu sagen hatte, war,
dass ich meinen Bruder Franz anrufen sollte und drückte mir einen zerknitterten
Zettel mit einer Wegbeschreibung in die Hand. Franz benahm sich bei meinem
Anruf wie in einem schlechten Krimi. Ich sollte mich mit ihm an der genannten
Adresse treffen und unbedingt darauf achten, dass mir niemand dorthin folgte.
Die Notiz dirigierte mich zu einer alten Fischerhütte, die, wie sich
herausstellte, deinem Onkel gehörte und ihm seit langem als heimliches Refugium
diente." Sein Vater zögerte kurz, als bereite es ihm Schwierigkeiten,
weiterzusprechen. Schließlich hob er dumpf an: "Ich habe es der Polizei
nicht erzählt, Lukas, aber ich war der letzte, der deinen Onkel lebend gesehen
hat. In der darauf folgenden Nacht wurde er ermordet. Gleich nach unserem
Gespräch hat Franz dich angerufen und dich gebeten, nach Bamberg zu kommen. Den
Rest kennst du. Als du eintrafst, hatte man den Bischof bereits gefunden und du
kamst gerade rechtzeitig für die Identifizierung. Franz musste sterben, weil
Arbeiter in der Bibliothek in einem Geheimversteck mehr als einhundert Bücher
fanden. Die Legende hatte sich bewahrheitet, Lukas. Es gibt den verschollenen
Familienschatz der von Stetten tatsächlich. Allein die alten Bücher, unter
ihnen Erstausgaben bekannter Wissenschaftler und Theologen, stellen einen
schier unermesslichen Wert dar und zwei geschickt in Buchattrappen versteckte Schatullen
enthielten kiloweise venezianische Goldmünzen aus dem 18. Jahrhundert, dazu ungewöhnlich
reine Diamanten, Rubine, Smaragde und Saphire. Am außergewöhnlichsten waren
jedoch die versteckten Dokumente zwischen den Buchseiten und das Tagebuch mit
unserer kompletten Familienchronik. Ich habe es in den
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