Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
herauszufinden. Die hat sehr jung den um über vierzig Jahre
älteren holländischen Diamantenhändler Jaap Leysiffer geheiratet. Er
kontrollierte fast den gesamten südafrikanischen Diamantenhandel und war damit
nicht nur einer der reichsten, sondern auch einer der mächtigsten Männer der
Welt. Leysiffer war zum Zeitpunkt der Heirat bereits an Multipler Sklerose
erkrankt und saß im Rollstuhl. Er lebte sehr zurückgezogen und kaum jemand
wusste, dass er überhaupt verheiratet war. Drei Jahre später war sie seine
Witwe und Universalerbin. Leysiffer starb unter nie ganz geklärten Umständen
zusammen mit seinen beiden Leibwächtern bei einem Autounfall. Man gab dem toten
Fahrer die Schuld, weil er einehohe Dosis verschnittenen Kokains im Blut
hatte. Nach dem Tode ihres Mannes hat sie wieder ihren Mädchennamen angenommen,
angeblich, weil sie nicht mit dem Namen ihres Mannes Karriere machen wollte.
Den Konzern regiert sie mit einer Armee von Treuhändern und mit eiserner Hand.
Leysiffer, ein weltbekannter Mäzen und Kunstsammler, hat seiner jungen Frau
damals unter anderem eine riesige Sammlung bedeutender frühchristlicher
Schriften hinterlassen, die sie ständig erweitert hat. Das alles zusammen muss
Rabea stutzig gemacht haben und sie hat, eigensinnig wie wir sie kennen,
beschlossen, der Sache erst einmal alleine auf den Grund zu gehen“, erklärte
Jules.
Die
gute Nachricht, die der alte von Stetten mitgebracht hatte, lautete, dass der
kleine schlitzohrige Anwalt am frühen Morgen erreicht hatte, dass die Vorladung
um neun Uhr ins Präsidium für Lukas, Lucie und Jules, bis zum nächsten Tag
ausgesetzt worden war.
"Ich
hoffe, dass die leidige Angelegenheit für dich damit erledigt und die
Mordanklage an Bentivoglio vom Tisch ist", richtete von Stetten senior das
Wort erstmalig direkt an seinen Sohn. "Laut dem Anwalt bleibt somit nur
noch deine Verletzung des Hausarrestes und der eigenmächtige Einbruch in die
Villa. Ich weiß ja nicht, welcher Hafer dich da gestochen hat." Ein
sträflicher Seitenblick, der an dieser Stelle Jules traf, machte deutlich, wen
der alte von Stetten für den aus seiner Sicht idiotischen Einfall verantwortlich
machte. "Unser italienischer Anwalt arbeitet daran, dies als eine Art
Gefahr in Verzug darzustellen. Wenn wir Glück haben, bleibt die ganze Episode
ohne weitere Folgen für dich. Wenigstens hat die Presse bisher keinen Wind
davon bekommen. Nicht auszudenken, wenn eure Mutter davon erfahren hätte."
Von
Stetten senior wollte noch etwas hinzufügen, als sein Handy klingelte. Er
entfernte sich mit einem gemurmelten "Entschuldigt, ein wichtiges Gespräch",
nach draußen. Die drei Verbliebenen atmeten hörbar auf. Es gab keinerlei
Erklärung dafür, wie der alte Patriarch es bewerkstelligte, dass jedermann,
auch wenn er sich noch so sehr mit sich und seinem Gewissen im Einklang befand,
in seiner Gegenwart eine Art körperliches Unbehagen empfand. Jenem Gefühl nicht
unähnlich, das sich einstellte, wenn man sich unvermittelt mit der Polizei
konfrontiert sieht, obwohl man sich keinerlei Vergehens schuldig gemacht hatte.
Lukas
dachte daran, dass Rabea im Grunde die Einzige gewesen war, die sich nie von
der strengen Autorität seines Vaters hatte einschüchtern lassen. Schon als
kleines Mädchen war sie ihm furchtlos entgegengetreten. Lukas erkannte es als
seine Art der Wertschätzung an, dass der alte von Stetten es sich nicht hatte
nehmen lassen, sich persönlich im Krankenhaus nach Rabeas Befinden zu
erkundigen.
"Und,
wie geht es Opa Rosenthal. Hast du mit ihm gesprochen?“, erkundigte sich Lucie,
während sie ein Croissant mit spitzen Fingern zerpflückte.
"Ja.
Er hat die Nachricht erstaunlich ruhig aufgenommen. Merkwürdig", Lukas
schüttelte den Kopf, "Ich hatte beinahe das Gefühl, dass er meinen Anruf
bereits erwartet hat. Ich habe ihm versprochen, ihn sofort zu verständigen, wenn
sich Rabeas Zustand bessert.“
"Ganz
bestimmt. Du weißt doch, Rabea hat es noch nie lang im Bett gehalten. Da kennt
sie keine Gnade", erwiderte Lucie betont munter, und spielte damit an die
gemeinsam verbrachten Ferien ihrer Kindheit an, in denen Rabea sie jeden Morgen
tatendurstig mit den Hühnern aus dem Bett getrieben hatte. Besonders die notorische
Langschläferin Lucie, für die Urlaub vor allem aus einem bestand, nämlich
langem Ausschlafen („Deshalb nennt man es ja Urlaub, Rabea!"), hatte sie
damit ein ums andere Mal in den Wahnsinn getrieben.
"Hier,
nimm noch ein Croissant." Lucie
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