Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
Schritte, die näher kamen, bin ich in Panik geraten. Ich weiß nur
noch, dass ich nach der Schere gegriffen und sofort zugestochen habe. Es tut
mir so leid. Und Sie sind wirklich in Ordnung?", hakte sie scheinheilig
nach.
"Natürlich.
Es ist nichts. Kommen Sie, gehen wir. Es besteht keine Gefahr mehr. Commissario
Grassa und seine Leute haben alles unter Kontrolle." Lukas nahm ihren Arm,
als die Professorin ihn mit einer bittenden Geste zurückhielt: "Ach, mein
lieber Pater. Wenn Sie so freundlich wären und mir noch meinen Schuh dort bitte
reichen würden?" Sie zeigte mit einer hilflosen Geste auf ihren nackten,
großen Fuß und wackelte kokett mit ihren manikürten Zehen.
"Ach
so. Aber natürlich."
Als
Lukas ihr den Rücken zuwandte, um den einige Meter entfernt liegenden Pumps zu
holen, fiel sein Blick zufällig auf einen der abgeschalteten Bildschirme, in
dem sich das Neonlicht des Raumes spiegelte. Darin sah er etwas Unglaubliches: Mit
einer flinken Bewegung, die ihre Masse Lügen strafte, hatte die Professorin
nach der Schere auf dem Boden gegriffen und war im Begriff, sich zum zweiten
Mal hinterrücks auf ihn zu stürzen.
Wieder
reagierte Lukas instinktiv. Er hechtete zur Seite, so dass die Angreiferin ins
Leere sprang und durch die Wucht ihrer eigenen Vorwärtsbewegung hart auf den
Boden stürzte. Erneut um ihr Opfer gebracht, heulte die Holländerin vor Wut
auf. Lukas warf sich auf sie, und rollte mit der sich wie rasend Gebärenden auf
dem felsigen Grund. Dann hallte ein gellender Schmerzensschrei von den
Gewölbewänden wieder und Lukas richtete sich entsetzt auf. Er starrte auf seine
blutige Hand und auf den erschlafften Körper der Frau unter sich: Aus ihrem
Bauch ragte die Schere. Benommen rappelte er sich hoch, raffte in Panik Rabeas
Häufchen Haare an sich und verließ fluchtartig den Raum.
Kurz
darauf traf er auf Jules, der ihm mit einem erleichterten: "Allah sei
Dank, da bist du ja", entgegenkam. „Rabea hat kurz vor dem Abtransport in
das Hospital das Bewusstsein wieder erlangt. Keine Sorge Lukas, sie schafft es.
Sie hat uns darüber aufgeklärt, dass diese holländische Professorin, Lucies
Freundin, der Kopf der Mörderbande ist. Sie muss noch irgendwo hier im Haus
sein. Laut Grassa wurde bisher keine Frau verhaftet.“
"Ich
weiß", erwiderte Lukas düster. "Sie liegt im Monitorraum. Sie ist
tot."
Mit
leerem Blick ging er an Jules vorbei, dabei Rabeas rotgoldenen Zopf wie einen
wieder gewonnenen Schatz fest an sich gepresst.
"Endlich."
Lukas sprang auf. Seit Stunden harrte er bereits in dem engen Wartesaal des
Santa Maria Krankenhauses aus. Der Raum verfügte weder über ein Fenster noch
über eine Klimaanlage und die Luft darin stand heiß und dick wie verkochter
Grießbrei.
Inzwischen
war es fünf Uhr morgens und ein neuer strahlender Sommertag schickte sich an,
Rom in seinen schwülen Hitzegriff zu zwingen. Der junge Mann sah fürchterlich
aus und war kaum mehr wiederzuerkennen. Der sonst stets gepflegt und proper
wirkende Jesuit hatte in den letzten Tagen eine fortschreitende Metamorphose
durchlaufen. Seit den letzten dramatischen Stunden hatte Lukas seine
blutbefleckte Kleidung nicht mehr gewechselt und sich während des Wartens
unaufhörlich die blonden Haare gerauft, bis sie schließlich blutverkrustet und
wirr abstanden. Eine junge, zufällig vorbeikommende Schwester hatte sich bei
seinem Anblick erschrocken und ihn, nicht wissend, dass es Rabeas Blut war,
irrtümlicherweise für schwer verletzt gehalten. Drauf und dran, einen Arzt zu
rufen, konnte sie nur mit Mühe davon überzeugt werden, dass dem jungen Mann
nichts weiter fehlte, außer eine Dusche, frische Kleidung und eine positive
Nachricht. Seit mehr als vier Stunden kämpften die Ärzte nunmehr im Operationssaal
um Rabeas Leben.
Vor
wenigen Minuten hatten es Lucie und Jules mit vereinten Kräften geschafft, dass
Lukas sich zu ihnen setzte, wozu er sich bisher störrisch wie ein griechischer
Muli, geweigert hatte. In einem Krankenhaus zu sitzen und auf eine erlösende
Nachricht zu warten war an sich bereits nervenzerreißend genug. Da brauchte es
nicht zusätzlich jemanden, der ständig auf und ab lief und mit jedem Schritt
die Nerven aller weiter platt walzte.
Lukas
fühlte sich indessen genauso furchtbar, wie es sein Äußeres wiederspiegelte.
Die Angst, Rabea ausgerechnet dann zu verlieren, als ihm klar geworden war,
dass ein weiteres Leben ohne sie keinen Sinn ergab, schien alle seine anderen
menschlichen
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