Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
in längst
vergangene Zeiten entführt hatten.
Zeit
seines Lebens hatte sich der alte Rosenthal gefragt, ob Rabea damit bewusst
oder unbewusst die quälendste aller Strafen gefunden hatte, um ihn für seinen
Betrug büßen zu lassen: ihn der Freude an den vertraulichen Gesprächen mit ihr
zu berauben. Nur Rabeas kleines grausames Herz allein konnte die Antwort
hierauf geben.
Nur
wenige Tage nach der unglückseligen Begegnung mit dem Jungen war sie in das
Studierzimmer ihres Großvaters gestürzt und hatte diesem triumphierend
verkündet: "Ich weiß jetzt, was ich werden will. Ich werde Reporterin. Da
geht es um die Wahrheit." Jahre später fand Rabea heraus, dass es
inzwischen sehr wohl die Möglichkeit gab, dass eine Frau, zwar mit
eingeschränkten Rechten, ein Rabbiner werden konnte, aber sie hatte seit dem
Gespräch mit ihren Großvater jegliches Interesse daran verloren. Die
Erkenntnis, wie sehr ihr Großvater bis zur Hörigkeit in der Tradition
verwurzelt war, dass er es vorzog, lieber seine Enkeltochter zu belügen, als
sein engstirniges Denken einzugestehen, hatte Rabea beinahe noch mehr
getroffen. Ihr Großvater war gegen den Fortschritt der Gleichberechtigung, aber
er hatte endlich eingesehen, dass er diesem nicht ewig im Weg stehen konnte.
Die ihr durch Lukas übermittelte Botschaft bewies seinen Gesinnungswandel.
Mit
einem wehmütigen Lächeln kehrte Rabea in die Gegenwart zurück. Ihr Großvater
hatte ihr soeben ein großes Geschenk bereitet. Und ihr Herz öffnete sich ganz
weit und ließ die einstige Liebe und Verehrung für ihn wieder hineinströmen.
"Ich
danke dir, Lukas. Mein Großvater hat mir damit eine große Freude bereitet. Es
betrifft ... das Geheimnis des Lebens und den Wert eines jeden Menschen, ob
Mann oder Frau. Lukas ...", Rabeas Hand krallte sich fest in die seine und
sie bäumte sich kurz auf. Bestürzt fragte er: "Was ist? Hast du Schmerzen?
Soll ich den Arzt rufen?"
"Nein,
nein. Es geht schon. Ein wenig müde. Ich muss ... euch etwas Wunderbares
erzählen. Ich habe sie endlich gefunden, ... die Wahrheit … nach der ich mein
Leben lang gesucht habe. Sie steht in den Dokumenten ... Bentivoglios. Pater
Simone hatte eines übersetzt. Es war datiert und ... unterzeichnet von einem
Joshua zu Jerusalem im Jahre 33 nach ... Christus. Hört zu. Es war ein langer
Brief an zwei verschiedene ... Myriams, eine davon aus Magdalen, und eine aus
... Nazareth. Dieser Joshua ... beschreibt darin seine Botschaft an die Welt
der Gläubigen und gibt den beiden Frauen genaue ... Anweisungen, Gottes Glauben
zu verkündigen. Er prophezeit ... ihnen, dass sie die Auserwählten sein werden,
die ihn mutig ... auf seinemletzten Weg begleiten werden." Rabea
hatte Lukas dabei unverwandt angesehen und ihre Augen leuchteten wie zwei
grüne, funkelnde Sterne.
Erschüttert
hatte Lukas ihren leisen stockenden Worten gelauscht. Keinen Augenblick
zweifelte er an ihren Worten. Er sank neben Rabea auf die Knie. "Oh mein
Gott, oh mein Gott", stöhnte er überwältigt.
"Was
habt ihr zwei denn? Was bedeuten die Briefe? Und wer soll dieser Joshua
sein?", erkundigte sich seine Schwester, als sich weder Rabea noch Lukas
weiter dazu äußerten. Rabea hielt ihre Augen geschlossen, aber ein sanftes
Lächeln erhellte ihre Züge. Lukas hielt den Kopf gesenkt und seine Hände
gefaltet. Jetzt hob er den Kopf und atmete tief ein, als müsste er aus seinem
Inneren Kraft für die nächsten Worte schöpfen: "Es könnte bedeuten, dass
Rabea und Simone vielleicht die wichtigste Handschrift der Christenheit entdeckt
haben. Jesus, unser Herr, war einer der klügsten Menschen, die je auf dieser
Erde gelebt haben, aber er hat uns nicht ein einziges geschriebenes Wort
hinterlassen. Alles, was wir von ihm wissen, wurde uns von anderen überliefert.
Jesus war Jude. Joshua ist der jüdische Name von Jesus, die Römer hatten ihn
einst so genannt. Und die beiden Myriams, damit könnten vielleicht seine Mutter
Maria und Maria Magdalena, das ist Maria aus Magdalen, gemeint sein. Es klingt
einfach zu unglaublich. Wenn es wahr wäre und tatsächlich ein handschriftliches
Vermächtnis von Jesus Christus, unserem Herrn, existiert, würde es erklären,
warum jemand zu allem bereit gewesen war, die Schrift in seinen Besitz zu
bringen. Es wäre die kostbarste Handschrift der Menschheit und mit keinem
Schatz dieser Welt aufzuwiegen."
"Es
ist ganz sicher wahr, Lukas. Das ist der … echte und einzige heilige Gral",
flüsterte Rabea und umklammerte fest
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