Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
dass es
Amerika sowieso nur um das Erdöl geht. An dem Punkt haben sie mich abgeschaltet
und verhaftet. Aus Sicherheitsgründen“, fügte sie mit einer schiefen Grimasse
hinzu.
„Aha, damit erklärt sich auch, warum ich dich drei Monate nicht
erreichen konnte und du nicht auf der Beerdigung von Onkel Franz warst. Du hast
mich angeschwindelt, Freundin. Darüber reden wir noch. Was ist dann weiter passiert?“
„Ich wurde als Feindin des amerikanischen Volkes eingestuft und stand
zeitweise sogar unter Terrorverdacht. Ich dachte, sie würden mir ein Ticket für
Guantanamo ausstellen, aber mein Sender hat sich wirklich für mich eingesetzt,
von wegen Stresssituation, überforderte junge Reporterin etc. Mein eigentliches
Glück war der Leiter der Militärpolizei, die mich verhaftet hat. Patrick war
ein sehr vernünftiger Mann, mit dem ich einige gute Gespräche hatte. Er hat die
Verhöre durch die Agenten überwacht und mich geschützt, was ihm selbst einiges
an Schwierigkeiten eingebracht hat. Irgendwann musste ich eine eidesstattliche
Versicherung unterschreiben, die mir in der Öffentlichkeit einen Maulkorb
verpasst, dazu zwei amerikanischen Psychologen die kriegstraumatisierte junge
Frau vorspielen und dann haben sie mich zum Flughafen eskortiert und in ein
Flugzeug gesetzt.“
“Und wann war das?“
„Vor fünf Tagen.
Ich war nur ganz kurz in Berlin.“
„Na, das erklärt zumindest, warum du so blass und dünn bist. Eingesperrt
und dazu amerikanisches Essen, schwer zu sagen, was von beidem schlimmer ist.
Ich bin so froh, dass du gleich zu mir gekommen bist, Bea. Keine Sorge, ich
werde mich um dich kümmern und dich aufpäppeln. Apropos, wirst du ihn
wiedersehen?“
„Wen?“
„Na, diesen Patrick. Seit Lukas habe ich dich nie mehr von einem
Mann mit Achtung sprechen hören“, erwiderte Lucie und versuchte sichtlich, ihre
Neugierde zu zügeln.
„Nein“, war die
knappe und unbefriedigende Antwort.
„Warum denn nicht? Na gut, er ist Soldat und du Pazifistin, aber
das ist auch keine größere Kluft als zwischen Mann und Frau. Irgendwann ist
jeder Krieg zu Ende und dann kommt er zurück und …“
„Lass gut sein, Lucie“, unterbrach Rabea sie. „Er kommt nicht mehr
zurück. Er ist tot.“
„Oh“, hauchte Lucie sichtlich betroffen. „Es tut mir so leid,
Rabea. Ich bin ein Esel. Wie …?“
„Auf einer Patrouille, vor zehn Tagen. Ein Selbstmordattentat. Es
sterben da drüben so viele gute Leute, auf beiden Seiten, Lucie. Es herrscht so
unendlich viel Leid. Leid ist mit nichts vergleichbar, Leid ist Leid. Es gleicht
einer Primzahl, individuell und unendlich.“
„Aha, und um ganz alleine Leid und Tod zu verhindern, hast du dich
vor das Mikrofon gestellt und damit ganz nebenbei deine berufliche Karriere
ruiniert“, konstatierte Lucie ruhig.
„Du hast Recht. Ich habe mich selbst ausgeknockt. Doch ich musste
es tun, nicht als Journalistin, sondern als Mensch. Sie morden im Namen Gottes,
Lucie! Beide Seiten. Es ist einfach unfassbar, wie menschenverachtend und feige
sie alle sind“, brach es aus ihr heraus. „Und diese Selbstmordattentäter, wir
züchten sie doch selbst! Anstatt die Verantwortung für ihre Taten zu
übernehmen, verstecken sie sich hinter der monströsen Rockschürze eines Gottes,
den sich die Männer selbst erfunden haben. Weißt du, was ich glaube, Lucie? Fanatischer
Glaube ersetzt die Vernunft, er macht dumm, weil man nicht mehr selber denken
muss. Es steht schließlich alles schon im Buch des Glaubens geschrieben, eine
Art Hausfrauenratgeber für Männer. Doch das viel Erschreckendere daran ist, ihr
Glaube scheint auch ihr Herz zu ersetzen. Sie kennen weder Mitgefühl noch
Barmherzigkeit. Aber ein fühlendes Herz macht den Menschen doch erst aus!
Zuerst sind wir Mensch, dann Jude, Christ oder Muslim. Doch für sie heißt es, wer
glaubt hat Recht. Die Christen glauben seit jeher, sich mit ihren guten Taten
das ewige Leben zu verdienen und den Bombengürtel tragenden Gotteskämpfern
wird vorgegaukelt, dass sie von großäugigen Jungfrauen an der Pforte zum
Paradies erwartet werden. Und diese Heuchelei der
Christ-Amerikaner, die ihre Diabetikerdemokratie wie eine leuchtende Kerze vor
sich hertragen und versuchen, ihr Credo der ganzen Welt aufzuzwingen. Wann
lernen sie endlich, dass man Demokratie ebenso wenig aufzwingen kann, wie den
Glauben? Sie machen immer wieder dieselben Schei ß fehler. Dadurch haben sie die Situation im Nahen Osten verschärft, vor
allem für Israel.
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