Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
wäre in eine
andere, noch schönere Goldfischwelt eingetreten. Aber dort wäre alles anders
herum und darum hatte er sich drehen müssen, um sie bis in alle Ewigkeit
genießen zu können.“
„Ja,
und genauso ergeht es mir jetzt. Ich treibe kieloben an meiner eigenen Oberfläche,
nur dass sich meine Welt um so vieles schrecklicher anfühlt. Ich weiß, dass die
Erde nie ein friedvoller Ort sein wird, nicht solange es Menschen gibt. Es ist
mein alter Konflikt, Lucie. Ich werde mit dem schrecklichen Leid
und den Verbrechen, die religiöse Fundamentalisten in seinem Namen
begehen, nicht mehr fertig. Ich hasse Gott, obwohl ich gar nicht an ihn glaube.
Ich habe dort unten zu viel gesehen, die Bilder zersprengen mir den Kopf, als
wären meine Gedanken tausend kleine Bomben. Aber ich habe noch genug Verstand,
um mir selbst einzugestehen, dass ich die Terroristen fast verstehen kann.
Nicht das, was sie tun, sondern warum. Sie sind ihrem grenzenlosen Hass und ihrer
Wut ebenso hilflos ausgeliefert wie ich. Doch sie lösen ihren inneren Konflikt mit
Gewalt, sie sind Gefangene ihrer eigenen Bestimmung. Darin ähneln wir uns -
bloß dass ich mich nicht mit einem Bombengürtel frei sprenge. Ich kämpfe mit
Worten und Artikeln dagegen an und das hat mich nun meinen Job gekostet.“
„Aber
Rabea, entlassen zu werden ist doch nicht das Ende der Welt.“ Lucie wirkte
beinahe erleichtert. Sie hatte mit weit Schlimmerem gerechnet, als einer
Kündigung. „Glaub mir, es wird nicht lange dauern, bis einer begabten
Journalistin wie dir neue Angebote ins Haus flattern werden. Sieh es mal so, du
machst jetzt erst einmal richtig Urlaub und erholst dich von den ganzen
Strapazen. Lass mich nur machen, ich bringe dich schon auf andere Gedanken“,
meinte Lucie und lächelte ihrer Freundin aufmunternd zu.
Rabea
hingegen blieb ernst: „Ganz so einfach ist es nicht, Lucie. Um ehrlich zu sein,
ich wurde verhaftet und aus dem Irak ausgewiesen.“
Lucie
brauchte zwei Schrecksekunden, bis sie entsetzt rief: „Mein Gott, Rabea, was
hast du jetzt wieder angestellt? Mr President USA mit faulen Eiern beworfen
oder eine irakische Frauenbewegung gegründet?“
„Wenn
es nur das wäre“, seufzte Rabea. „Weißt du, ich bin nach Bagdad gegangen, weil es für mich einen wichtigen
Karriereschritt bedeutete. Beinahe jeden Tag die Möglichkeit zu haben, live vor
die Kamera zu treten, reizte mein Ego. Darum habe ich mein Herz und meine Seele
ausgeblendet, Neutralität und Objektivität wurden zu meinem Evangelium. Ich bin
viel herumgekommen, Afghanistan, der Irak. Menschliches Leid und Elend sind mir
absolut nicht fremd, doch stets ist es mir gelungen, die nötige Distanz zu
wahren. Ich hüllte mich in mein Berufsethos wie in einen undurchdringlichen
Panzer. Ich durfte keine Meinung haben! Aber irgendetwas ist da unten in Bagdad
mit mir passiert, Lucie. Mein Panzer löste sich auf und ich konnte mich im
Rückspiegel meines Lebens sehen und darin kam mir plötzlich alles so klein vor,
und dabei hatte ich immer so große Pläne! Jetzt habe ich eine Meinung: Schluss
mit dem verdammten Krieg! Er ist rechtlich illegal und er ist menschlich
verwerflich und was sehr viel schlimmer wiegt, er hat bisher nichts bewirkt -außer
Unmengen an Leid und Tod auf beiden Seiten.“ Rabea stockte.
„Ach, Rabea.“ Lucie schüttelte mitleidig den Kopf. „Wie ich dich
kenne, hast du deine Meinung lautstark und unauthorisiert unter die Leute
gebracht?“
„Schlimmer. Ich habe der amerikanischen Regierung vorgeworfen,
sich die zweite Amtszeit durch geschickte Manipulation des eigenen Volkes erschlichen
zu haben.“
„Als Freundin im Affekt muss ich dich das fragen, Rabea. Was hast
du genau angestellt? Ich meine, man wird ja nicht gleich verhaftet und des
Landes verwiesen, wenn man als westlicher Journalist seine Meinung äußert, oder
macht man das im Irak so?“, hakte Lucie misstrauisch nach.
„Du hast Recht. Ich habe meine Sendeleitung mit dem falschen
Material reingelegt und dem amerikanischen Präsidenten meine Meinung zur besten
Sendezeit gegeigt: Während einer Livesendung mitten aus dem Stadtzentrum von
Bagdad.“
„Wow, eine Tonne Pferdemist, das bringst auch nur du fertig. Was
hast du genau gesagt?“ Lucie wirkte beinahe stolz auf ihre Freundin.
„Na ja, ich habe ihn mit der Lüge über die angeblichen Massenvernichtungswaffen
konfrontiert und dass der einfache Iraker behauptet, dass die einzige
Massenvernichtungswaffe im Irak der Amerikaner ist. Und
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