Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
großen
Wohnküche. Dementsprechend hatte der Kulturschock Pater Simone, als er zur
Beerdigung von Bischof Franz als Gast in Lukas feudalem Elternhaus weilte, kalt
erwischt.
So unterschiedlich die gesellschaftliche Herkunft, so innig das
freundschaftliche Verhältnis der beiden jungen Männer. Von Stetten wusste,
Pater Simone würde sich für ihn kreuzigen lassen und umgekehrt dieser für ihn.
„Kommt, Pater Dr. von Stetten “, foppte ihn Simone, „gehen
wir rein und arbeiten an deiner zukünftigen Fama. Wir können uns auch gerne
zuerst einen Espresso gönnen und unterhalten. Tatsächlich kommst du mir heute
Morgen etwas fahrig vor. Ist irgendetwas mit dir? Ich spiele damit nicht nur
auf deine wunderhübsche Stirn- und Kinnzierde an“, erkundigte sich Pater Simone
mit freundschaftlicher Feinfühligkeit. Ohne zu zögern stimmte Lukas sofort zu
und gemeinsam steuerten sie eine Bar an und belegten einen Tisch im Freien.
Nachdem die beiden bestellt und Pater Simone sich zusätzlich einen Bombellino,
einen fetten, frittierten und mit reichlich Vanillecreme gefüllten Krapfen
gegönnt hatte, fasste sich von Stetten ein Herz und leitete das Gespräch ohne
Umschweife ein. „Du hast Recht. Da ist tatsächlich etwas, dass ich dir schon
längst hätte erzählen sollen.“ So erfuhr Pater Simone an diesem Morgen die
ganze trübselige Geschichte über Lukas und seine Jugendliebe Rabea. Nur eines erzählte
er seinem Freund nicht: Wie es genau zu dem Bruch zwischen Rabea und ihm
gekommen war. Noch immer fiel es ihm schwer, mit jemandem über die größte
Enttäuschung seines Lebens zu sprechen. Außerdem befürchtete er, dass der
schlaue Simone sofort den kausalen Zusammenhang zwischen dem Bruch mit Rabea
und seinem Eintritt in den Orden wittern würde.
Pater Simone hatte ihm die ganze Zeit über reglos zugehört. Nun
nickte er bedächtig und antwortete in Anspielung auf Rabeas Spitznamen für
Lukas, den dieser während seines Berichts erwähnt hatte: „Das ist ja ein feines
Dilemma, Bruder Lukas. “Er seufzte vernehmlich, was sich bei
seinem tiefen Bariton wie das Brummen eines Bären anhörte. In Anlehnung an eines
ihrer Lieblingsthemen konnte es sich Pater Simone nicht verkneifen zu sticheln :
„ Unser seliger Ordensgründer von Loyola wird schon gewusst haben, warum er
nach einem einjährigen Experiment keine Jesuitinnen zuließ. Keine Frau, kein
Wort . Sagte nicht schon Hamlet: Versuchung, dein Name ist Weib ?
Vielleicht solltest du tatsächlich deine Kutte schürzen und dich schleunigst
vom Acker machen? Einen an den Ufern des lockenden Weibes hilflos gestrandeten
Mann nehme ich mit Freuden bei mir auf. Aber wie ich dich kenne, wirst du dich
der Herausforderung der ewigen Versuchung durch das Weib stellen?“, vermutete
Pater Simone nicht zu Unrecht. Er musterte seinen Freund prüfend über den Tisch
hinweg.
Dieser zuckte hilflos mit den Schultern. „Danke für dein Angebot, aber
ich muss mit Rabea selber fertig werden. Das bin ich schon allein meinem
Selbsterhaltungstrieb schuldig. Hoffen wir einfach, dass die nächsten Wochen
möglichst schnell und ohne weitere größere Überraschungen vorübergehen, denn
irgendwie glaube ich nicht, dass sie nur zufällig in Rom aufgetaucht ist. Und,
nur zu deiner Information“, ergänzte von Stetten freundlich, „Bei Hamlet heißt
es: „Schwachheit, dein Name ist Weib“ und nicht „Versuchung, dein Name ist Weib.“
Im Übrigen wird es sich wohl kaum vermeiden lassen, dass du in den nächsten
Wochen auf Rabea treffen wirst. Ich kenne deine Neugier.“ Pater Simone riss
daraufhin die Augen auf und rief betont unschuldig: „Wie, ich ? “
„Ein kleiner Tipp unter Freunden, Simone“, fuhr Lukas unbeirrt
fort. „Bitte hüte dich davor, mit Rabea über tiefschürfende Themen zu
diskutieren. Und da du gerade Shakespeare zitiert hast, den du, wie wir beide
wissen, über alle Maßen verehrst. Verkneif es dir bei Rabea um des lieben
Friedens willens, ja?“
„Was, sie mag William
Shakespeare nicht?“, fuhr Simone entrüstet auf, sofort bereit, Rabea mehr zu
hassen als den Teufel.
„So würde ich das nicht sagen. Rabea ist vielmehr davon überzeugt,
dass Shakespeare nie gelebt hat.“
Simone schüttelte ungläubig sein mächtiges Haupt und dann blieb
sein Blick verdächtig lange an der Stirnbeule seines Freundes haften, als suchte
er hierin die Erklärung dafür, warum dieser plötzlich zu fabulieren schien. Lukas
beeilte sich anzufügen: „Du glaubst mir nicht. Bitte
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