Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
bestand.
Maledetto Schweinehitze , fluchte
Giuseppe und hob hoffnungsvoll den Kopf, um den azurblauen Himmel erneut
abzusuchen. Nichts, nicht die Spur einer Wolke. Und dennoch war sich Giuseppe
seiner Sache sicher: Da braute sich etwas zusammen. Das sagte ihm sein schmerzendes
Bein, das seit seinem Sturz von einem Baugerüst vor einigen Jahren,
meteorologisch verlässliche Voraussagen tätigte.
Er stand an der Stirnseite einer großen rechteckigen Baugrube und
überwachte den Aushub für das zukünftige Schwimmbecken. Die Bauherren, ein ebenso reiches wie wohlbeleibtes deutsches
Ehepaar, hatte sich die halb verfallene Burg aus dem 10. Jahrhundert, die seit beinahe
zweihundert Jahren leer stand, als Prestigeobjekt gekauft.
Früher einmal hatte sie einer der einflussreichsten Adelsfamilien
Italiens gehört, doch vor mehr als zweihundert Jahren hatte sich hier angeblich
eine furchtbare Familientragödie ereignet, und seitdem sollte es in dem alten
Gemäuer spuken. Die schaurigen Gespenstergeschichten hatten die Begeisterung
der Deutschen erst so richtig angefacht und sie hatten, wie Giuseppe wusste,
einen weit überteuerten Preis für das Anwesen bezahlt. Geld schien hier ohnehin keine Rolle zu spielen. Giuseppe
schüttelte den Kopf, als sein Blick die jüngste, extravagante Lieferung
streifte: achthundert Quadratmeter antiker Steinplatten aus Frankreich für die
Böden. Als ob sie in Italien nicht viel schönere Platten zu bieten hätten, davvero!
Die
gesamte Anlage war in das natürliche Plateau eines Berges eingebettet, der
wirkte, als hätte in grauer Vorzeit ein Riese ein großes Stück mitten aus ihm heraus
gerissen. Im Rücken wurde die Burg durch eine beinahe senkrecht aufragende
Felswand geschützt. Circa neunzig Hektar, überwiegend
Wald, aber auch Olivenhaine und verwilderte Weinberge, gehörten zum Besitz. Das
Plateau erstreckte sich über dreihundert Meter über die gesamte Breite. Wegen
des erwarteten Einsatzes schwerer Baumaschinen war der ursprüngliche Pfad zu
Beginn der Bauarbeiten befestigt und asphaltiert worden. Der dunkle
Straßenwurm, der sich nun statt des sich früher friedlich in die Landschaft
einfügenden Weges hinabwand, wirkte fremd und mochte nicht zur stillen Harmonie
des Ortes passen. In jedem Jahr war das Anwesen vom Frühsommer bis zum Herbst
von üppig blühenden Kletterrosen und verwildertem Wein umwuchert, die den Verfall
verschleiert und der Burg aus der Ferne einen eigenen Zauber verliehen hatten.
Jetzt waren Rosensträucher und Wein verschwunden, die ersten stillen Opfer der
Renovierungsarbeiten.
Immer schon galt das Betreten der Ruine als strengstens verboten.
Aber für die Kinder der nahen Orte Santo Stefano und Poggio di San Angelo war
sie seit jeher ein ewiger Hort der Geheimnisse gewesen, ein unvergleichlicher
Abenteuerspielplatz und seit Generationen fanden sie ihren Weg dorthin.
Die Deutschen waren beim Anblick der Weinberge, der alten
ehrwürdigen Eichen, der hohen Pinien und der spitz in den Himmel aufragenden
Zypressen heftig ins Schwärmen geraten und Giuseppe hatte sich wegen ihres
Überschwangs erstaunt gefragt, ob es denn in Deutschland keine Bäume gab? Er
selbst war noch nie weiter gereist als bis zum Meer oder zur Provinzhauptstadt
L´Aquila. Eigentlich hatte er vorgehabt, im kommenden Jahr zusammen mit seiner
Frau Rosaria und den Kindern seinen älteren Bruder Ignazio, der es in Rom zu
etwas gebracht hatte, zu besuchen. Aber nun war Rosaria erneut guter Hoffnung
und es würde wieder nichts aus der geplanten Reise werden. Rosaria, die die
Seele eines Generals besaß und ein strenges Regiment führte, würde es ihm sehr
verübeln, wenn er alleine führe, in anderen Worten: Sie hatte es ihm verboten.
Ein ungeduldiger Blick auf seine Uhr zeigte Giuseppe, dass es bald
Zeit für die Mittagspause war. Er war immer besonders hungrig, wenn ihn sein
lädiertes Bein plagte. Seine Gereiztheit kam nicht von ungefähr: Die Arbeiten
an der Grube hatten mit einem ganzen Tag Verspätung begonnen, weil der alte
Bagger ausgerechnet am gestrigen Morgen seinen Geist aufgeben musste. Statt
seiner hatten sich dann er und seine Arbeiter durch einen regelrechten Urwald
an spitzdornigen Brombeerbüschen kämpfen müssen, die unbehelligt auf dem
Gelände hatten wuchern können. Der Bauleiter, ein gehetzter Mensch, für den
Zeitpläne noch vor der Bibel kamen, hatte sie hierzu verdonnert, und alle, bis
auf den Bauleiter selbst - dieser hatte selbstverständlich Wichtigeres zu tun
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