Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
ihr
Eis ruhig zu Ende. Wer weiß, wann Sie wieder so etwas Gutes bekommen werden.“
Er zwinkerte ihm boshaft zu und drückte ihm die Tüte wieder in die Hand.
D´Amico packte Lukas am linken Arm und bugsierte ihn ohne Umschweife durch die
noch immer offen stehende Tür nach draußen.
Weil er keinen Verdacht erregen wollte, ergab sich Lukas vorerst
in sein Schicksal. Ihm blieb auch nichts anderes übrig, das Eis schmolz
inzwischen bedenklich dahin und er musste daran schlecken.
„Signorine, arrivederci, es war mir ein seltenes Vergnügen“, verabschiedete
sich Commissario Grassa mit einer angedeuteten Verneigung vor Lucie und Rabea.
„Stronzo“, murmelte ihm Rabea leise, aber laut genug hinterher,
dass er es noch hören konnte. Es bedeutete „mieses Schwein“ auf Italienisch. Dann
erst bemerkte sie die Nachbarin von gegenüber, eine aufgedonnerte ältliche Dame
mit zu viel von allem. Ihr Mund stand offen und so konnte Rabea sehen, dass sie
nicht nur ihre schmalen Lippen, sondern auch einen Großteil ihrer Vorderzähne
mit rosa Lippenstift beschmiert hatte. Auf ihrem Arm thronte ein kleiner Wuschelhund,
dessen Kopfhaare mit einem albernen rosa Schleifchen hochgebunden waren, aber ganz
besonders affig fand Rabea das strassbesetzte Halsband, das um seinen Hals
funkelte. Armes Tier. Der Blick der Nachbarin glitzerte sensationslüstern, offenbar
hatte sie sich keine Szene des vorangegangenen Dramas entgehen lassen.
Rabea schnitt der Frau eine Grimasse und als dies keine Wirkung
zeitigte, streckte sie ihr auch noch ihre rosige Zunge heraus. Mit Genugtuung
registrierte sie, dass die Dame sie entrüstet musterte und sich dann hastig in
die eigene Wohnung verzog.
Den wenigen Anwohnern in der Via dei Coronari bot sich ein
seltsames Bild: Ein würdevoll mit hoch erhobenem Kopf dahin schreitender
Jesuitenpater, der von zwei Beamten in Handschellen abgeführt wurde, während er
mit beiden Händen eine tropfende Eistüte umklammerte.
Fassungslos verharrten die beiden Freundinnen im Hausflur und
starrten auf die Wohnungstüre, die sich hinter dem Commissario, seinem
Begleiter und Lukas geschlossen hatte. Rabea war vom Hals bis zu den
Ohrläppchen rot angelaufen und bebte vor unterdrückter Wut: „Was war das denn
jetzt? Ich fasse es nicht. Die haben Lukas tatsächlich verhaftet. Dieser
gelackte Pappagallo in seinem feinem Anzug, säuselt uns hier die Ohren vor, von
wegen belle Signorine … Falscher als die Zähne von meinem Großvater. Wenn ich
das gewusst hätte, hätte er seinen Kaffee gekriegt, und zwar kochend über die
Eier. Hast du seine kleinen Füße gesehen? Ha, wenn besagte Theorie zutrifft,
dann ist er an anderer Stelle anatomisch ebenfalls zu kurz gekommen. Na, warte Minischwänzchen-Casanova,
bei der nächsten Gelegenheit nehme ich deine Einladung an. Der kann sich auf
etwas gefasst machen“, ließ Rabea erst einmal gehörig Dampf ab. „Was machen wir
jetzt? Wir müssen Lukas sofort einen Anwalt besorgen. Kennst du hier jemanden?“,
erkundigte sie sich dann bei ihrer Freundin, die jedoch keinerlei Reaktion auf
ihre Frage zeitigte. Lucie stand ganz offensichtlich unter Schock und fixierte
weiter die Tür, als erwartete sie, dass sie sich jeden Moment wieder öffnete
und Lukas zurückbrachte. Lukas, der sie anlachte und verkündete, dass alles nur
ein dummes Missverständnis gewesen sei.
Im Gegensatz zu Rabea war aus Lucies Gesicht alles Blut gewichen,
ihre zarte Haut wirkte gespenstisch fahl, beinahe durchsichtig und ihr war speiübel. Die beschuldigten Lukas, ihren Zwillingsbruder, das pazifistischste Wesen,
das man sich überhaupt vorstellen konnte, eines Mordes? Sind die denn völlig
übergeschnappt? Was war das jetzt wieder für ein Alptraum? Endlich schienen
Rabeas Worte zu ihr durchzudringen und sie fühlte den beruhigenden Druck ihrer
schmalen Hand auf ihrem Arm. Sie wandte ihren verstörten Blick ihrer Freundin
zu und sagte: „Ich rufe Vater an.“
In der großen Nürnberger Patriziervilla klingelte das Telefon. Es
war reiner Zufall, dass sich Frau Gabler noch in der Villa aufhielt. Anstatt
längst ihren verdienten Feierabend zu genießen, hatte sie einmal mehr auf
Händen und Füßen im weitläufigen Park unter Büsche und Hecken lugend, Frau von
Stettens Augapfel, die eigensinnige, pechschwarze Perserkatze Isis gesucht. Das
Spiel wiederholte sich ungefähr einmal die Woche und hatte Frau Gablers vormals
gutes Verhältnis zu Katzen arg getrübt. Es bedurfte einer Portion
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