Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
in der größten Augusthitze
derart erkälten“, tadelte Commissario Grassa kopfschüttelnd und rückte
demonstrativ von ihm ab, um einen Sicherheitsabstand zwischen sich und die
vermeintlichen Bazillen zu bringen.
Der junge Priester konnte nicht mehr als ihm einen gequälten Blick
zuwerfen, da er mit dem Schlüssel auch seine Stimme verschluckt hatte.
Ohne weitere Zwischenfälle, von weiteren waghalsigen Fahrmanövern
einmal abgesehen, waren sie im Präsidium angelangt, wo Lukas als erstes
erkennungsdienstlich erfasst worden war. Stoisch hatte er das gesamte
erniedrigende Prozedere durchlaufen, von den Fotos über die Abnahme der
Fingerabdrücke bis hin zu der Leibesvisitation. Sein Priesterhabit erregte
Aufsehen und die Blicke der anwesenden Beamten als auch die des einen oder
anderen Delinquenten verfolgten interessiert das Geschehen. Eine soeben
abgeführte Prostituierte hatte ihm ein eindeutig zweideutiges Angebot
zugerufen, in dem unter anderem von einem speziellen Priesterrabatt die Rede
war. Das delikate Angebot hätte Rabea gefallen.
Nun saß er hier und musste vor allem eines vermeiden: irgendwelche
Nahrung zu sich zu nehmen. Gut, dass er den ganzen Tag über, außer dem
Frühstück, einigen wenigen Gabeln Linguini und dem Eis nichts gegessen hatte,
denn es würde ein gewisses körperliches Bedürfnis hinauszögern …
Plötzlich öffnete sich die Türe zu dem Verhörraum und der Commissario
kehrte zurück, gefolgt von einem älteren Mann mit schlohweißer Löwenmähne, der
Grassa kaum bis zur Schulter reichte. Er trug einen hellgrau meliertem Anzug,
ein giftgrün kariertes Hemd und eine kanariengelbe Krawatte. Pater Simone hätte
sich bestimmt sofort beifällig nach seinem Schneider erkundigt. Das kleine Männchen
nickte von Stetten beruhigend zu, während Grassa eine angesäuerte Miene zur
Schau trug. Offensichtlich lag dies an der Anwesenheit seines Begleiters, der
sich sogleich selbst einführte. Sein Deutsch klang zwar holprig, aber trotzdem
gut verständlich:
„Guten Abend, Pater von Stetten. Es freut mich sehr, Ihre
Bekanntschaft zu machen. Ich bin Ihr Anwalt, Avocato Dottore Carlo Pierangeli.
Ihr Vater schickt mich“, zwitscherte er mit seltsam hoher Stimme und streckte
ihm höflich die gepflegte, zierliche Rechte entgegen. Lukas war bei seinen
Worten erfreut aufgesprungen.
„Wir können gleich gehen. Ich habe mit dem Commissario bereits
alle Formalitäten geklärt. Es gibt keinen Grund, Sie hier länger festzuhalten.
Kommen Sie, ich fahre Sie nach Hause. Sie müssen müde sein“, fuhr er zu von
Stettens größtem Erstaunen fort. Das erklärte die griesgrämige Miene des Commissario,
der einem hungrigen Raubtier ähnelte, dem man soeben die fette Beute unter der
Tatze weggeschnappt hatte.
„Auf Wiedersehen, Herr Commissario Grassa“, verabschiedete er sich
höflich und folgte seinem Anwalt nach draußen, wo ihn eine weitere freudige
Überraschung blühte. Begeistert nahmen ihn Lucie und Rabea in die
Empfangszange.
„Darauf kannst du dich verlassen, Pfaffe. Dich sehe ich ganz
bestimmt bald wieder“, brummte Grassa wütend in sich hinein, während er der
Gruppe hinterher blickte. Er verabscheute Pierangeli zutiefst.Dieser
hatte ihm in der Vergangenheit bereits mehrmals die Parade versaut. Er hasste Anwälte
beinahe noch mehr als Pfaffen. Was ihn am meisten ärgerte, war, dass zur
Verteidigung von Stettens ausgerechnet der erfolgreichste und zwangsläufig auch
teuerste Staranwalt Roms aufgeboten wurde. Dass der Deutsche über derartige
Kontakte und so viel Geld verfügte, ließ ihn aufhorchen. Mit einer herrischen
Geste winkte er d´Amico zu sich ins Büro: „Corrado, ich will, dass du dich an
den Jesuiten dran hängst. An dem ist so viel faul, dass es bis zum Himmel
stinkt. Verwanze seine Wohnung und sein Telefon. Ich will jeden Abend einen
Bericht auf meinem Schreibtisch sehen: was er sagt, wen er trifft, wann er
scheißt und wen er fickt. Alles. Avanti, an die Arbeit.“
D´Amico nickte zum Zeichen, dass er kapiert hatte, und stapfte mit
seinen dicken Beinen erstaunlich wendig davon, schon im Hinausgehen seinen
Kollegen Anweisungen zubellend.
Grassa befreite sich im Sitzen von seinem Brioni-Jackett und
lockerte die seidene Krawatte. Mit hinter dem Kopf verschränkten Armen lehnte
er sich dann in einer lässigen Bewegung in seinem Drehsessel zurück. Er gab dem
Stuhl mit dem Fuß einen kleinen Stups und dieser vollzog eine halbe Umdrehung,
um vor dem Fenster hinter seinem
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