Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
Entsetzen, das sie in ihren letzten Minuten empfunden haben musste. Ihre
Gesichtszüge waren durch den Todeskampf grotesk verzerrt und ihr Mund wie zu
einem letzten Schrei geöffnet. Die blauschwarz verfärbte Zunge quoll wie eine
überreife Pflaume aus ihrem Rachen. Dies und die sichtbaren violetten Male an
ihrem Hals, ließen keinen Zweifel an der Art ihres grauenvollen Sterbens: Sie
war erwürgt worden.
Rabea hegte sofort den Verdacht, dass sie nicht in der Badewanne
gestorben war. Ihr prüfender Blick fiel auf die Hände der Contessa und deren
künstliche Fingernägel, von denen mehrere abgebrochen waren. Jäh fielen ihr die
pinkfarbenen Punkte auf dem Bett der Contessa ein und sie lief zurück ins
Schlafzimmer. Tatsächlich, mehrere abgerissene Nägel lagen auf dem zerwühlten
Damastüberwurf verstreut. Die Contessa war in ihrem eigenen Bett erwürgt worden
und hatte sich darin verzweifelt an ihr Leben gekrallt.
Warum der oder die Täter sie dann in die Badewanne verfrachtet und
diese ohne ersichtlichen Grund vollaufen ließen, entzog sich zunächst Rabeas
Logik. Prüfend musterte sie weiter Leiche und Wanne und entdeckte auf dem
Beckenboden merkwürdige weiße Kristalle, die sich dort abgesetzt hatten. Da sie
kaum annahm, dass der oder die Mörder das Bad der Contessa mit Badekristallen
angereichert hatten, musste dem eine andere Ursache zugrunde liegen.
„Ich frage mich…“, murmelte sie mit gerunzelter Stirn, während
Lukas und Lucie, beide zwar an den Anblick von Toten, Lukas als Priester, seine
Schwester als Archäologie-Studentin mumienerprobt, - doch lange nicht so abgebrüht
wie Rabea -, ungläubig ihr merkwürdiges Treiben verfolgten. Einer Eingebung
folgend lief Rabea zum Marmorwaschtisch, unter dem ein Treteimer aus Edelstahl
stand. Sie öffnete diesen und fand ihre Vermutung bestätigt: Sie fand mehrere zusammengeknüllte
500-Gramm-Packungen, die „Sale grosso“, grobes Salz, enthalten hatten. „Das ist
schlecht“, murmelte Rabea und dann laut zu Lukas und Lucie: „Ich sehe schon Commissario
Grassa hier hereinspazieren. Dem geht doch voll einer ab, wenn er das sieht“,
konstatierte sie mit einer Handbewegung in Richtung der toten Contessa. „Ich
habe eigentlich keine Lust, ihm zu einem Triumph-Orgasmus zu verhelfen.
Vielleicht sollten wir einfach den Hund nehmen, hier herausspazieren, Türe zu,
wir waren nie hier. Was meint ihr?“, schlug Rabea völlig unerwartet vor.
Lukas sah sie mit einem gequälten Lächeln an. Dann ließ er seinen
Blick durch das große Badezimmer schweifen, das ganz im Stile eines antiken
römischen Badetempels gehalten war, um schließlich auf der Toten haften zu
bleiben. Er trat an die Badewanne und sprach ein Gebet für die Contessa. Danach
wandte er sich müde an Rabea: „Wie stellst du dir das vor? Wir sind nun einmal
hier und haben sie gefunden. Es ist unsere Pflicht, die Polizei zu rufen. Ich
kann und werde mich nicht der Verantwortung entziehen. Wir haben mit dem Tod
der Contessa nicht das Geringste zu schaffen und daher auch nichts zu
befürchten“, versicherte er ihr. Rabea entging nicht der darin enthaltene,
resignierte Unterton, der den in seinem Vortrag anklingenden Heroismus merklich
abschwächte.
„Du hattest auch nichts mit dem Tod des Generaloberen Bentivoglio
zu tun und trotzdem hat man dich verhaftet“, erinnerte ihn Rabea, lenkte aber
ein. „Na gut. Wahrscheinlich hast du Recht. Wahrheit ist und bleibt die beste
Waffe. Aber lass mich mit dem Commissario reden. Besser, ich erzähle ihm, was
passiert ist. Außerdem ist die Option, einfach den Hund nehmen und aus dem
Staub machen, sowieso hinfällig. Inzwischen muss es hier von unseren
Fingerabdrücken nur so wimmeln. Ich weiß nämlich nicht, was unsere vorwitzige
Lucie hier sonst noch alles angefasst hat“, meinte sie mit einem tadelnden
Seitenblick auf die Betreffende, während sie ihr einen kostbaren Kristallflakon
von Versace entwand und wieder zurück auf die verspiegelte Ablage über dem
Waschtisch stellte.
„Was denn? Ich
bin halt nervös“, verteidigte sich Lucie schwach.
„Unter einer Bedingung“, fuhr Rabea in einem Ton der keinen
Widerspruch duldete, fort: „Bevor wir die Polizei rufen, denke ich, bist du uns
ein paar Antworten schuldig. Zwei Morde an einem Tag und jedes Mal spazierst du
am Tatort herum, das ist kein Zufall. Und genau das wird auch unser ehrgeiziger
Commissario denken. Ich habe eine Theorie, Lukas: Die Contessa gehörte zu der
Sorte der besonders
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