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Die Seelenpest

Die Seelenpest

Titel: Die Seelenpest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Seidel
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Betreffende gibt das Gestohlene heraus. Verstehen Sie?«
    »Nein.«
    »Dieses Mädchen wurde von einem Knecht erschlagen, der sich ertappt fühlte. Der Vater erschlug den Knecht und kam aufs Rad, weil man beim Knecht kein Diebesgut finden konnte.« Er machte eine Pause. »Ihr lieber Freund lebt sehr gefährlich.«
    »Sie sollen mir Angst einjagen«, stellte Margaret fest.
    Er schlug die Mappe zu, der Staub wirbelte hoch.
    »Sie sind der Teufel!«, sagte sie.
    Er lachte und deutete tiefer in das Zimmer.
    »Wir haben ein Bett, Miss. Schlafen Sie ein bisschen!« Er rollte lustig mit den Augen. »Und dort sind Tinte und Papier. Schreiben Sie zuvor Ihrem Freund, dass er sich zähmen soll! Schreiben Sie in allen Sprachen dieser Welt, so dringend ist es! Er soll in seine Schule gehen und schweigen. Schreiben Sie, Margaret, ich bitte Sie! Ihr Vater kommt und fragt nach Ihnen, bis dahin müssen Sie den Brief geschrieben haben. Ich selber werde, ich verbürge mich dafür, die Nachricht überbringen.«
    Sie war zu müde, um den Arm zu heben. Als wäre jedes seiner Worte wie Efeu über sie gewachsen.
    »Mein Vater möchte mich nicht sehen?«, fragte sie.
    »Wie Väter nun mal sind!«
    »Ich bin erschöpft.«
    »Ich führe Ihre Hand, wenn Sie es wünschen.« Er reichte ihr den Arm und geleitete sie zu einem schweren Tisch, auf dem das Schreibzeug lag.
    Sie schrieb mit letzter Kraft, an Andrew, das, was Boggis wünschte. Und auch dieses:
    … Wir sind unzertrennlich, für alle Ewigkeit. Niemand kann, was zwischen uns geschehen ist, zerstören. Dein Fleisch ist nun in meinem, meine Seele brennt in deiner lichterloh. Ich trage unter meinem Herzen neues Leben, dein Leben, unser Leben und die Liebe…
    Boggis versiegelte den Brief und nahm ihn an sich. Dann führte er Margaret zu dem Bett, wo sie sich niederlegte und die Augen schloss.
    »Wie wäre es«, flüsterte er und hielt ihre hitzige Hand, »wenn ich Sie in meiner heimlichen Funktion als Brautbeschauer dem König anempfehle?«
    Sie war schon eingeschlafen.
    »Er hätte seine Freude, glaube ich.«
    Jemand öffnete die Tür. Es war Thomas Morland.
    »Was ist passiert?«
    »Das Schlimmste, Monsieur«, sagte Boggis leise und legte einen Finger an den Mund. »Viel schlimmer als ein Kuss.«
    »Wann? Wo?«
    »Ich weiß es nicht. Der Bengel ist geschickt.«
    »Was kann man tun?«
    »Ihn töten.«
    »Und Megges Herz gleich mit!«
    »Sie ist sehr stark, Sir«, sagte Boggis.
    Morland war in der halb geöffneten Tür stehen geblieben. »Ich muss zurück. Ich möchte, dass Sie bei ihr wachen. Es gibt neue Todesfälle. Elf junge Leute. Man fand sie heute früh in einer Höhle, in einem Wald bei Gravesend, sagt der Bote. Ich habe Angst, dass es kein Ende nehmen wird.«

19. K APITEL ,
    in welchem Hass und Rachsucht
    jede Menschlichkeit gefährden
     
     
     
    Was Thomas sofort auffiel, waren Cliffords saubere, geschnittene Nägel. Wann sah man so etwas schon mal? Der Präzeptor saß drüben am Tisch, steif wie ein Student, die Hände gerade vor sich auf den Tisch gelegt, und hatte Augen, in die nicht vorzudringen war. Jedes Mal wenn Thomas ihn fixierte, wich er aus.
    Sie saßen in Thomas’ Kontor. Der Staub tanzte in der Sonne, die durch das Fenster schien.
    Thomas war unruhig. Die Nachricht von dem neuen Todesfall saß ihm im Nacken. Hinzu kam die Behauptung dieses so genannten Brautbeschauers, dass Megge guter Hoffnung sei – von Andrew Whisper, Johans Sohn!
    Er traute diesem Brautbeschauer nicht. Der war hereingeplatzt und hatte sich schier aufgedrängt mit seinen Diensten. Die Hand voller Papiere, königliche Schreiben, Genehmigungen, Pässe. Gewandt und eloquent, geschniegelt und bewaffnet. Er hatte Margaret hergebracht wie eine Gefangene. Dabei war es bloß die Vaterpflicht, ihr dies anzutun. Und niemand ahnte etwas, weder Alice noch Raspale, der mit hergekommen war und stumm hier im Zimmer saß.
    »Sir Thomas, ich…«, begann Clifford leise, »was ich herausgefunden habe, ist das Folgende. Ich habe den Verdacht, dass es an unserer Schule eine Gruppe gibt, ein paar Jungen, die ganz offenbar verschworen sind, durchaus gefährlich, wie ich finde. Ich nannte schon den einen Namen, Andrew Whisper…«
    Thomas schaute von seinen Papieren hoch.
    Clifford senkte den Blick. »Die Schüler sind neugierig, sie wollen wissen, was hinter den Dingen ist…« Er knetete die weißen Hände und schielte zu Raspale, der seinen mitgebrachten Kuchen aß.
    »Verzeihung, Sir«, murmelte er plötzlich und

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