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Die Seelenpest

Die Seelenpest

Titel: Die Seelenpest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Seidel
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abzuwenden, von diesem Haus, von Megge, von uns allen, habe ich entschieden, dass… es ist unabwendbar, Tochter Margaret, so wie die Dinge liegen…«
    Margaret legte die Hände in den Schoß, flach aufeinander, presste sie zusammen, so fest sie konnte.
    »Margaret, meine liebe Tochter…« Thomas zögerte, als spürte er, was in ihr vorging. »Megge, Kind! Ich als dein Vater sage dir und allen hier Versammelten, dass William Gills sich das Recht erworben hat, dir die Verlobung anzutragen. Hier und jetzt.« Er hüstelte. Es war so still, als hätten alle aufgehört zu atmen.
    Margaret hörte den Nachklang seiner Stimme. Sie hörte wieder und wieder seine Worte. Sie fühlte nichts. Sie presste ihre Hände aufeinander, die Knöchel sprangen weiß hervor.
    »Ich segne euch in meinem Hause, amen«, fuhr der Vater feierlich fort. »Ich segne euch vor allen Zeugen und wünsche mir, dass niemand einen ernsten Einwand äußert, sei es, weil die Verbindung zwischen euch ein anderes Versprechen brechen würde, sei es, weil ein Dritter andere Gründe kennt, die diese Heirat unstatthaft erscheinen lassen. Wenn sich alsdann kein Anwesender meldet, erkläre ich euch zu Verlobten und mein Versprechen für der Sittlichkeit und dem Gesetz gemäß vollzogen.«
     
     
    L ADY A LICE LIESS M ARGARET nicht mehr aus den Augen. Sie sah sofort, wie sie sich nur zusammenriss und heimlich litt. Wie grausam von Morland, es auf diese Weise, im Beisein aller und bloß um der guten Form willen, kalt und lieblos hinzusagen. So hatte es sich angehört, wie eine Strafe, fand sie. Und ohne priesterlichen Segen! Er wusste doch genau, wie sehr sich Margaret nach diesem Jungen sehnte. Er quälte sie, er wollte seine eigene Eifersucht abkühlen, das war es! Genauso gut hätte er den Jungen für tot und ihre junge Liebe für gescheitert, für untragbar und erstickt erklären können. Wie schlecht er war!
    Wie heimtückisch!
    Margaret war nicht schwanger, das spürte sie, da irrte er gewaltig, sie sah es Margaret an. Eine schwangere Frau hat andere Augen, eine andere Haut, sie riecht verändert, hundert kleine Dinge wären ungewohnt an ihr. Und dieser Gills als ihr Mann! Die beiden passten nicht zusammen, auch wenn dies eigentlich nicht wichtig war. Was ist denn Liebe überhaupt? Dummheit und Leichtsinn, würde Morland mit aller Überzeugung sagen. Aber musste das, was Morland sagte, denn immer Geltung haben? Sie wurde das Gefühl nicht los, dass er sich selber krümmte, jetzt, bei alledem, dass er hier schwindelte und dass es gar nicht um den Schutz des Hauses, sondern um sein eigenes Gewissen ging.
    Margaret saß verletzt und hilflos da, totenbleich und, wie es schien, unfähig, aufzuschauen und ihren unverhofften Bräutigam, wie es sich ziemte, mit süßen Blicken zu belegen. Der freilich ebenfalls betreten mit den Händen spielte, Bier trank, belanglos redete, ab und zu hinüberschielte, womöglich selbst nicht sicher, ob dieses jähe Glück die Wahrheit oder eine Lügenszene war.
    Morland tat zufrieden. Er lächelte, rieb sich die Hände, alles eher zu heftig und zu viel. Er bestellte Suppe, Brot und Mus, scherzte mit den Kindern, als sei nichts passiert. Alice fühlte, dass ihr die altbekannten Tränen kamen: Er war ein Menschenteufel, dieser Ehemann, der sie nicht liebte, nie geliebt hatte, der sie nur aus Mitgefühl zur Frau genommen hatte und vielleicht noch ihres Geldes wegen und weil er Kinder hatte, aus keinem anderen Anlass, aus keinem besseren Grund, der ihr vielleicht geschmeichelt hätte.
    Dann wieder, plötzlich, erschien ihr alles umgekehrt: Wenn sie es recht bedachte, tat ihr Morland Leid, der ungeschickte, arme Mann, der sich nicht anders helfen konnte. Ach was! Er war ein Scheusal, er musste ihr nicht Leid tun, sie stemmte sich mit Wut dagegen, sie wollte diesen Hass empfinden. Er hatte es verdient.
    Sie lächelte Margaret zu und nickte, um ihr ein bisschen Mut zu machen. Was sicher zwecklos war. Margaret lächelte zurück, kurz und gezwungen, aber liebevoll, wie früher: das Kind in ihr, das hier und jetzt aus seiner Kinderwelt gerissen wird. Alice stand auf, ging zu ihr hin und nahm ihre Hände in die eigenen. Die Kinderhände waren kühl und feucht und zitterten, vor Wut und bitterer Enttäuschung.
     
     
    T HOMAS TRANK , ASS APPETITLOS . Er lachte manchmal angestrengt.
    Er spürte überdeutlich, dass niemand ihn verstand. Er fühlte Alice’ Blicke, wie Giftpfeile. Zu Margaret mochte er nicht hinsehen. Was Gills fühlte, war ihm

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