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Die Seelenpest

Die Seelenpest

Titel: Die Seelenpest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Seidel
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Sag mir, was ich tun soll, ich tue es! Aber dieser Whisper ist verloren. Er hat es selber eingefädelt, er ist sein eigenes Verderben. Sag etwas, sprich mit mir! Zeige, dass ich nicht zum toten Türholz rede!… Megge, meine Tochter!« Er schnappte Luft, hustete, spuckte aus und setzte sich. Der Stein war kalt. Thomas kühlte seine Hände, legte sie auf seine Wangen.
    »Megge…?«
    Hinter der Tür war Stille. Er spürte, dass er nur noch ruheloser wurde. Jetzt tat ihm alles Leid. Er überlegte, ob er ihr gestehen sollte, dass er schwere Mitschuld am Tode Johan Whispers trug. Aber Megge würde es ihm sicher nie verzeihen, nicht diese Sünde! Obwohl: Er weinte wirklich, er wischte sich das glühende Gesicht und lauschte wieder. Etwas klang von unten herauf. Es waren Schritte, die er plötzlich deutlich hören konnte.
    »Lieber Vater!« Margaret kam verwundert um die Wendelbiegung hoch. »Ich freue mich sehr, dass Sie mich besuchen wollen.«
    »Wo warst du denn?«
    »Ich brauchte Wasser.« Sie hatte eine große Kanne in der Hand.
    Thomas wischte sich die Augen. Er schüttelte den Kopf, stieß die Tür auf und trat ein. Margaret folgte ihm. Sie stellte die Kanne unter dem Fenster auf den Boden, wo das kleine Becken stand, in welchem sie sich morgens wusch.
    »Geht es Ihnen gut, Vater?«
    »Herrgott ja, doch…«
    Ihr Blick verfolgte ihn.
    »Weißt du, ich habe Angst, dass ich zu hart war. Aber es gibt im Leben Zwänge, Margaret, denen wir nicht aus dem Weg gehen können.«
    »Ich bemühe mich sehr, Sie zu verstehen, lieber Vater. Ich will mich herzlich ändern, wenn es nur immer einzusehen wäre.«
    Ich bin der Kindskopf, Megge!, wollte er ihr sagen. Ein alter, dummer Narr, der längst vergessen hat, was Liebe ist. Verzeih mir bitte! – Er sagte nichts, blickte sich um und spielte blöde mit den Händen.
    Dann nach einer Weile: »William Gills ist ein guter Mann, du wirst es sehen.«
    »Ich weiß es, Vater.« Sie goss etwas Wasser in das Becken.
    Ihr Schweigen war das Schlimmste. »Sag doch was!«
    Sie blickte hoch. »Ich möchte eine gute Tochter sein. Aber es fällt mir schwer. Ich liebe die Gerechtigkeit.«
    »Wer tut das nicht?« Er sah sie an. »Jetzt denkst du, dass ich sagen werde, dass deine Liebe zu dem Jungen keine Liebe sei, dass du zu jung seiest, um zu wissen…«
    »Nein«, unterbrach sie ihn.
    Er ließ es sich gefallen. »Die Zwänge, Margaret…«
    »Du musst nicht weiterreden, Vater. Ich habe dich verstanden.«
    Er ging zur Tür. Er hoffte, sie würde ihn zu bleiben bitten. Aber sie sah ihn nur kurz an und lächelte verlegen.
    »Ich wollte…«, stammelte er.
    »Ja?«
    »Ich freue mich, dass du meine Wünsche respektierst.«
    »Sie sind mein Vater«, sagte Margaret.
    Er nickte. »Ich bin auch stolz, dass du so stark bist, dass du die Kraft besitzt, für diesen jungen Mann zu kämpfen. Und dennoch…« Er sah sie an, erschreckt. Von sich enttäuscht. Er nickte wieder nur. Die Worte fehlten ihm. Ihm, der dem König mit den besten Worten diente!
    »Verzeih mir!«, sagte er und flüchtete zur Tür.

31. K APITEL ,
    worin ein Kampf vor dem Beginn verloren ist
     
     
     
    Natürlich war der Plan verrückt und vielleicht aussichtslos. Andrew sah die Risiken, aber er sah auch seinen Vater im Gefängnis und dass er selber keine Wahl mehr hatte. Gregor hatte ihm noch in der Nacht Decken, Wasser, verschiedene Kleidungsstücke, Brot und ein paar andere wichtige Sachen gebracht. Er war bei ihm im Versteck geblieben. Es war fast unerträglich kalt geworden. Sie hatten kaum geschlafen und Andrew hatte noch einmal jeden Einzelschritt des Plans durchdacht.
    Im Dunkeln noch war er die Straße abgegangen, wo es nachher geschehen würde, hatte sich jeden Strauch, jede Mauerecke, jede Haustür eingeprägt, um zu wissen, wie er sich bewegen musste, wenn es so weit war, um unentdeckt zu bleiben. Auch das Versteck war hergerichtet. Lederriemen und Tücher lagen schon bereit, etwas angespitzte Kohle und ein Blatt Papier zum Schreiben, außerdem ein Stück Rattenhaut, sorgfältig vom Fell befreit, zurechtgeschnitten und noch blutfeucht, fest in Blätter eingewickelt. Es sah auf den ersten Blick tatsächlich aus wie Menschenhaut!
    Der Morgen graute. Die Kälte und der raue Wind machten die beiden Freunde stumm. Schließlich klaubte Andrew die Sachen zusammen, die sie brauchen würden. Sie schlichen weg, den kurzen Weg zur Straße, wo es geschehen würde. Dort gingen sie in Deckung.
    Andrew fühlte sich zerschlagen, müde,

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