die Seelenwächterin - Smith-Ready, J: Seelenwächterin
selbst, der ihre Rache zu schmecken bekäme.
Als Rhia Marek zu sich nach Hause brachte, plapperte Alanka endlos und erzählte ihrem Wolfbruder alles, was sie in Asermos über Kriegsführung gelernt hatte.
„Sie haben diese langen Bogen für die Schlacht”, sie saßen alle am Tisch, und Alanka hielt ihre Hand weit über den Boden, „die richtig weit schießen können. Und ihre Pfeile sind schwerer. Man gewöhnt sich nur langsam daran, aber wir gehen ja auch nicht gerade auf Truthahnjagd.” Ihr Lächeln verlosch flackernd, als ihr etwas klarer wurde, was es bedeutete, einen anderen Menschen umzubringen.
Dann betrat Tereus das Haus. Er kehrte nach einem langen Treffen mit Galen und den Neuankömmlingen aus Kalindos heim und hieß Marek wie einen alten Freund willkommen. Sie lernten sich über einem Krug Bier kennen, während Rhia und Alanka die Hunde fütterten und tränkten.
Rhias Vater schloss sich ihr im Stall an, wo sie noch ein letztes Mal vor dem Zubettgehen nach den Ponys sah.
„Ich habe Marek gesagt, er kann hier draußen im Stall schlafen.” Er reichte Rhia eine weiche Decke. „Der Heuboden ist bequemer als der Boden im Haus.”
Sie hängte die Decke über eine Sprosse der Leiter zum Heuboden. „Danke, dass er bei uns bleiben darf.” Sie schlang ein dünnes Seil durch den Riegel an der Boxentür der grauen Stute. Das eigenwillige Pony hatte ein Talent dazu, auszureißen.
Tereus setzte sich auf einen Heuballen. „Er hat mir von seiner Partnerin und seinem Kind erzählt.”
Rhia nickte, als sie einen doppelten Knoten in das Seil schlang. Es überraschte sie nicht, die Menschen vertrauten sich ihrem Vater oft an. Sie kannte niemanden, der wie Tereus zuhörte, ohne zu verurteilen.
„Marek ist zu einer tiefen Hingabe fähig”, sagte er. „Das brauchst du.”
„Weil ich schwierig bin?” Ihr neckendes Grinsen brachte ihn zum Lachen.
„Ich habe fünf Jahre lang mit deinen Brüdern gelebt, ehe du gekommen bist. Verglichen mit ihnen bist du ein Lämmchen.” Seine Stimme wurde ernst. „Aber dein Pfad ist ein schwieriger, und du brauchst jemanden, der dich daran erinnert, dass diese Welt ein schöner Ort zum Leben ist.”
Sie erinnerte sich an das Versprechen, das sie Krähe gegeben hatte. Sie wollte sich ihre Liebe zum Leben bewahren, auch wenn sie der Verzweiflung gegenüberstand. „Das tue ich. Die andere Seite ist so schön und friedlich. Ich denke jeden Tag an sie.”
In seinem Blick vermischten sich Dankbarkeit und Traurigkeit, und sie wusste, dass er sich in diesem Augenblick Mayra in diesem Reich vorstellte, wie Rhia es selbst oft tat. „Für dich ist es die andere Seite”, sagte er, „und für mich ein Traum von dieser Welt. Wir Vögel heben unsere Schwingen so sehr, dass wir manchmal unsere Füße vergessen und wohin sie gehören.”
Sie setzte sich neben ihn auf den Heuballen und betrachtete sein Gesicht im Licht der Laterne. „Ich vermisse sie.”
„Ja.” Tereus schien nicht fähig, mehr zu sagen, also nahm er ihre Hand und küsste sie auf die Stirn. „Ich sehe dich dann morgen.”
„Du ...” Plötzlich verstand sie – er erwartete nicht, dass sie diese Nacht ins Haus zurückkam.
Kurze Zeit später kletterten sie und Marek auf den Heuboden. Die Luft war stickig, deshalb öffnete sie ein kleines Fenster unter den Dachbalken.
„Es ist kein Baumhaus”, sagte sie, „aber wenigstens schlafen wir oben. Tut mir leid, dass es nach Pferd riecht.”
Er lachte leise. „Ich gewöhne mich schon irgendwann daran.” Sie fragte sich, was er mit „irgendwann” meinte. Im Laufe der Nacht? Während seines kurzen Aufenthalts in Asermos, während die Schlacht tobte? Oder später? Sie hatte sich so sehr gefreut, ihn lebendig zu sehen – ihn überhaupt zu sehen -, dass sie sich nun zum ersten Mal fragte, wie lange er vorhatte, zu bleiben, wie lange sie selbst blieb und ob sie es zusammen tun würden.
Er breitete die Decke über einem weichen Polster aus Heu aus und setzte sich mit gekreuzten Beinen darauf. Sie ahmte seine Haltung nach, und er nahm ihre Hände. Nach einer langen Weile räusperte er sich.
„Ich habe mit deinem Vater gesprochen.”
„Das hat er mir gesagt.”
„Hat er?” Mareks Gesicht zeigte erst Überraschung, dann Empörung. „Warum sollte er so etwas tun?”
„Was tun?”
„Es dir sagen.”
Sie schüttelte den Kopf. „Mir was sagen?”
„Oh. Dann hat er es dir also doch nicht gesagt.” Er rügte sich mit einem kurzen Lächeln. „Ich fange
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