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die Seelenwächterin - Smith-Ready, J: Seelenwächterin

die Seelenwächterin - Smith-Ready, J: Seelenwächterin

Titel: die Seelenwächterin - Smith-Ready, J: Seelenwächterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeri Smith-Ready
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Licht, mit denen sie einen ungewöhnlich warmen Tag versprach.
    Galen trat durch die Menge nach vorn, und ihm folgte sein Lehrling, die junge Falkenfrau Berilla. Sie trugen beide weiße Zeremonienroben mit aufgenähten Falkenfedern, doch wo Berillas Robe nur wenige kleine braunschwarze Flügelfedern zierten, war Galens mit rot gefleckten Schwanzfedern bestückt, die seinen halben Körper bedeckten. Als er das Kopfende des Grabes erreichte, hob er seine Arme zur Seite, um Stille zu verkünden. Die Federn verliehen ihm die Pracht eines Falken mit ausgestreckten Flügeln.
    Rhia kniete sich mit ihrem Vater und ihren Brüdern auf die grüne Wolldecke, die man für sie ausgelegt hatte. Der Rest der Dorfbewohner blieb stehen und würde es auch die ganze Zeremonie lang tun, selbst wenn sie bis weit nach Sonnenuntergang dauern sollte.
    Als alles still war, setzte Galen zu einem leisen, trauernden Gesang an, einer einfachen Melodie, um die Anwesenden zu beruhigen und ihre Gedanken zu versammeln. Die Krähenfeder hing schwer um Rhias Hals, und sie sehnte sich danach, sie zu verbergen. Jeder wusste, wäre sie vor Jahren zu ihrer Weihung gegangen, sie selbst hätte jetzt Anteil an der Zeremonie. Sie hätte ihrer Mutter helfen können.
    Der Gesang ging zu Ende, und man brachte Mayra heraus. Acht der älteren Männer aus dem Dorf trugen ihren Körper, der von Kopf bis Fuß in ein weißes Totenhemd gehüllt war. Rhia hatte in der Nacht zuvor Stunden damit verbracht, Silina dabei zu helfen, Thymian und Bergamottöl auf die Haut ihrer Mutter aufzutragen und ihren Körper in Streifen duftender Tücher zu wickeln.
    Auf Mayras Brust und auf ihrem Bauch lagen Dutzende Blüten – blaue Kornblumen und Chicoree, die weiße Spitze der wilden Möhre, – und auf ihrem Hals der Otterfetisch, den Areas vor Jahren für sie geschnitzt hatte. Viele der Blüten fielen herab, als die Männer sie bewegten, und hinterließen eine farbenfrohe Spur. Der Otter blieb, wo er war. Die Männer legten Mayras Körper neben das Grab und traten zurück in die Menge.
    Galen begann, ihren Geist heimzusingen. Berilla trommelte den Rhythmus, und ein älterer Mann aus dem Dorf spielte eine eindringliche Melodie auf einer hölzernen Flöte. Die Stimmen der Dorfbewohner – bis auf Rhia, Tereus und die Zwillinge stimmten alle ein – erhoben sich gemeinsam, um Mayras Geist in den Wind zu heben, hoch genug, dass Krähe sie finden und nach Hause tragen konnte. Sie würden singen, bis in der Nähe eine Krähe gesichtet wurde, die ihren Ruf ausstieß und davonflog.
    Ohne von einem der seinen gelockt zu werden, konnte es allerdings Stunden dauern, bis ein Vogel sich sehen ließ. Krähen konnten nicht gerufen und gelenkt werden wie Schäferhunde. Rhia hoffte, der Geist zeigte Gnade mit ihnen allen und schickte seinen Boten schnell.
    Der Trommler trommelte, und die Stimmen sangen, ohne einmal innezuhalten. Die Sonne stieg höher am Himmel, bis ihre Strahlen durch die Öffnungen in den Bäumen drangen und auf Rhias jetzt frei hegendem Hals kribbelten, der am Ende der Zeremonie ohne Zweifel rot sein würde. Ein Schweißtropfen rann von ihrer Schläfe an ihrem Ohr entlang, und ihr begannen die Knie zu pochen. Sie machte sich selbst Vorwürfe, diese körperlichen Beschwerden zu empfinden, wo ihre Mutter doch für immer von den Schmerzen und den Freuden des Körperlichen entbunden war. Aber es war einfacher, sich auf den Schmerz in den Beinen zu konzentrieren als auf den Schmerz in ihrem Herzen und das Stechen hinter den Augen.
    Niemand begegnete ihrem Blick – bis auf Areas. In seinem Gesicht stand eine Mischung aus Traurigkeit und Scham. Er musste sich, genau wie sie selbst, bewusst geworden sein, was sie getan hatten, als Mayra zu sterben begann. Sie wollte über den Begräbnisplatz laufen und sich ihm in die Arme werfen. Es würde seinen Schmerz lindern, wenn schon nicht ihren, und sie sehnte sich danach, dass sich jemand ihretwegen besser fühlte und nicht schlechter. Das würde ihre Rolle sein – den Tod, die unausweichlichste aller Wirklichkeiten, in einen annehmbaren Teil des Lebens zu verwandeln.
    Aber wie konnte sie die Leute dazu bringen, den Tod zu akzeptieren, wenn sie selbst sich mit aller Macht gegen ihn auflehnen wollte, ihre Fäuste und ihre Stirn gegen den Boden schlagen, um so nutzlos den Menschen zu verteidigen, der gerade von ihm verschlungen worden war?
    Auch wenn sie nicht einstimmen sollte, schloss Rhia die Augen und sang den Gesang in Gedanken mit. Sie

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