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die Seelenwächterin - Smith-Ready, J: Seelenwächterin

die Seelenwächterin - Smith-Ready, J: Seelenwächterin

Titel: die Seelenwächterin - Smith-Ready, J: Seelenwächterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeri Smith-Ready
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sehen, vor langer Zeit mit ihrem Volk verwandt gewesen waren. Von ihrer provokativen Kleidung mit den vielen nutzlosen Accessoires bis hin zu der Art, wie sie sich fortbewegten, so als gehörte ihnen die Erde unter ihren Füßen, waren sie komplett anders. Vielleicht war es das milde südliche Klima, das sie angezogen hatte, nachdem sie sich vor Generationen von ihrem Volk gelöst hatten, oder die großen Städte, die sie gebaut hatten, um ihrem Stolz ein Heim zu geben. Was auch immer „es” war, die Nachfahren sorgten stets dafür, dass Rhia sich für einen Augenblick schämte, Mensch zu sein.
    „Glaubst du, sie wollen bei uns einfallen?”, fragte sie.
    „Sie wollen, was wir haben, und sie verstehen unsere Bräuche nicht. Perfekte Kombination für eine Invasion.”
    „Man sollte etwas unternehmen.”
    Nilo schnaubte verächtlich. „Wir Bärenmarder haben Torin alle gesagt, dass wir ein paar dieser ,Händler’ fassen und ausfragen sollten.” Torin, der Bär in seiner dritten Phase, dem Areas als Lehrling unterstellt war, diente als Militärführer von Asermos. Er war auch Torynnas Vater, aber das machte Rhia ihm nicht zum Vorwurf.
    „Was hat er gesagt?”
    „Er hat gesagt, das wäre nicht strategisch’.” Nilo grinste. „Lycas hat ihm gesagt, dass es auch nicht gerade strategisch klug wäre, eines Tages tot aufzuwachen.”
    Rhias Gedanken wollten sich vom Krieg lösen, aber ihre Gaben wären in so einem Fall unverzichtbar. „Wie können sie uns schlagen? Sie haben nicht einmal Magie.”
    „Wenn ihre Armee zehnmal so groß ist wie unsere, brauchen sie keine Magie.”
    „Aber wenn sie Magie hätten, bräuchten sie doch die großen Armeen nicht?”
    Er grinste sie an. „Deine Logik allein ist eine Brigade oder zwei wert.”
    Sie lachte, auf seltsame Art erleichtert, dass eine Gefahr wie der Krieg ihre Geschwisterfehde ins rechte Licht rücken konnte. Und doch musste noch ein Problem angesprochen werden. Sie räusperte sich.
    „Es tut mir leid, wie Mutter gestorben ist. Sie hätte etwas Besseres verdient.”
    „Das hätte sie.” Er kehrte an den Herd zurück. „Aber du gehst nach Kalindos, um Krähenfrau zu werden.”
    „Zu spät.”
    „Für Mutter, aber nicht für den Rest von uns.”
    Rhia wollte Nilos Handgelenke ans Haus fesseln, damit er nie ein Schlachtfeld betreten konnte. Aber er war dafür gemacht, zu kämpfen, berufen, ein Krieger zu werden. Im Gegensatz zu Rhia nahmen ihre Brüder ihren Geist an. Also sagte sie stattdessen zu ihm: „Ich kann nicht einmal daran denken, auch dich zu verlieren.”
    Ungeduldig winkte er ab. „Wie dem auch sei, wenn es noch nicht offensichtlich ist, ich vergebe dir. Wir vergeben dir.”
    „Danke, aber du kannst mir nicht in Lycas’ Namen vergeben.” „Stimmt.” Nilo bedachte das schmutzige Geschirr mit einem wütenden Blick und sah sich dann angewidert im ganzen Raum um. „Die Chancen stehen besser, wenn du uns beim Aufräumen hilfst.”
    „Das Risiko gehe ich ein. Gib mir aber das Brot.”
    Nilo nahm den Laib und klopfte mit der Faust dagegen. Das Geräusch klang wie eine Kürbistrommel. „Du brichst dir einen Zahn aus.”
    „Das ist nicht für mich.”
    „Die Hunde brechen sich einen Zahn aus.”
    „Für die auch nicht. Es ist für die, die keine Zähne haben.” „Ah.” Er reichte es ihr. „Bitte sehr, Vogelmädchen.” Als ihre Hand sich auf den Riegel legte, versuchte Nilo es noch ein letztes Mal. „Wenn du beim Aufräumen hilfst, bekommst du einen von den Hasen.”
    „Ich glaube, den bekomme ich auch so.”
    Lycas saß auf einem Felsen neben einem Ahornbaum, zwischen scharlachroten Laubhaufen. Rhia stand in Hörweite von ihm, aber sie sagte nichts, als sie das harte Brot in den Händen zerkrümelte und die Krumen auf den Boden warf.
    Aus dem Augenwinkel sah sie zu, wie Lycas einen Hasen an den Hinterbeinen an den Baum hängte und anfing, ihn auszunehmen. Er stach mit solcher Wut auf ihn ein, als hätte die Kreatur ihn beleidigt. Seine Schnitte gingen zu tief und verletzten das Fleisch.
    Sie sprach ein lautloses Dankgebet an die Vogelgeister, deren Ahnen sich an den Krumen gütlich tun würden: Krähe, Eichelhäher und – nach kurzem Zögern – sogar Spatz, Torynnas Schutzgeist. Man durfte keinen Groll gegen die Geister hegen, weil einer ihrer menschlichen Schützlinge kleinlich war. Außerdem hatte Rhia Torynnas Gemeinheit dreifach zurückgezahlt, indem sie so getan hatte, als sähe sie ihren Tod voraus. Das Wenigste, was sie tun

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