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die Seelenwächterin - Smith-Ready, J: Seelenwächterin

die Seelenwächterin - Smith-Ready, J: Seelenwächterin

Titel: die Seelenwächterin - Smith-Ready, J: Seelenwächterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeri Smith-Ready
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heran, und ihre frühere Unruhe kehrte zurück.
    „Wohin gehen wir?”, fragte sie und erwartete die gleiche ungeduldige Antwort, an die sie von Menschen wie Geistern gewöhnt war.
    „Zum Ort deiner Weihung.” Er sah, wie Rhia über ihre Schulter zurückblickte. „Du wirst dich nicht verlaufen. Der Ort ist allen, die geweiht worden sind, gut vertraut. Es ist immer der gleiche Ort, auch wenn er jeder Person im heiligen Augenblick anders erscheint. Wenn wir fertig sind, wirst du in der Nähe warten, bis jemand kommt, um dich zu deinem neuen Zuhause zu bringen.”
    „Wie lange werde ich warten müssen?”
    „Nach menschlichem Maß kann ich dir das nicht beantworten. Wir Geister messen die Zeit anders.”
    „Wie weit sind wir noch von Kalindos entfernt?”
    „Nach menschlichem Maß kann ich dir das nicht beantworten. Wir Geister messen die Entfernung anders.”
    „Wer wird mich finden?”
    „Nach menschlichem Maß”, Krähe zwinkerte ihr zu, „jemand Gutes.”
    Rhias Neugierde war geweckt, und sie fühlte sich durch Krähes Scherz ermutigt. „Jemand, der nur nach menschlichem Maß gut ist?”
    „Gut auf jede Art, die man sich vorstellen kann.”
    Sie wollte Krähe gerade mehr Fragen über ihre zukünftige Begleitung stellen, da verschlug ihr der plötzliche Anblick vor ihr den Atem.
    Der Wald teilte sich und gab den Blick auf eine offene Lichtung frei, die in Licht getaucht war, so hell, dass man es nicht mit dem Vollmond erklären konnte. Als sie sich näherte, entdeckte sie die Lichtquelle. In der Mitte der Lichtung lag ein blassblauer, leuchtender Teich. Dünne Dampfspuren stiegen aus dem Wasser auf, das von langem Schilf umgeben war, das wie dunkles Glas aussah. Das Schilf wiegte sich und klirrte gegeneinander und schuf dabei ein Geräusch, das so beruhigend war, dass Rhia sich in den Teich sinken lassen und von der ätherischen Musik einhüllen lassen wollte.
    Krähe blieb am Rand der Lichtung stehen und drehte sich zu Rhia um, sodass sie seine Augen sehen konnte.
    „Vertraust du mir?”, fragte er.
    Sie setzte zu einem eiligen „Ja” an, dachte dann aber über ihre Antwort nach. Der Geist war ihr das ganze Leben lang gefolgt, hatte sie als Kind verschont, damit sie ihm und damit auch ihrem Volk eines Tages bei einer der schrecklichsten und ehrenhaftesten Pflichten dienen konnte. Als sie sich widerp>setzte, hatte er gewartet, bis sie sich seinem Ruf nicht länger entziehen konnte.
    „Ja”, sagte sie endlich, „ich vertraue dir.”
    „Dann treten wir ein.”
    Sie betraten die Lichtung.
    Der Wind erstarb, als wäre die Lichtung vor dem bitteren Wetter des Waldes versiegelt. Bis zu dem Augenblick hatte sie nicht gemerkt, wie kalt ihr die letzten Tage gewesen war. Sie zog ihren Mantel aus und sah sich nach einer Stelle an diesem heiligen Ort um, wo sie einen so weltlichen Gegenstand ablegen konnte.
    „Hier.” Krähe deutete mit dem Schnabel auf das Gras, das grün und weich war wie der Rest der Lichtung, im Gegensatz zum braunen Wildwuchs außerhalb. „Du kannst alles hier ablegen.”
    „Alles?”
    „Deine Kleidung.”
    „Warum?”
    „Vor der Weihung musst du dich reinigen.”
    Sie wandte sich dem Teich zu und stieß einen erwartungsvollen Seufzer aus. Wie weich und warm würde sich das Wasser an ihrer Haut anfühlen? Sie begann sich die schwere Bluse über den Kopf zu ziehen, doch dann zögerte sie.
    Rhia drehte sich zu Krähe um, der ihr ausdruckslos zusah. „Ahm ...”
    „Erstens”, sagte Krähe, „ich bin ein Geist. Ich bin überall und sehe die Menschen in jeder noch so erniedrigenden Lage. Der Tod steht kaum jemandem gut. Zweitens, ich bin ein Vogel. Der menschliche Körper verlockt mich nicht, und er ekelt mich auch nicht an. Drittens ...”, er streckte sich und plusterte seine Federn auf, „auch ich bin nackt.”
    Rhia unterdrückte ein Grinsen, zog dann den Rest ihrer Kleider aus und versuchte dabei, ihr Zögern zu verbergen. Obwohl er ein Schutzgeist war und ein Vogel und nackt, sprach p>Krähe doch mit der Stimme eines Mannes, und das machte sie verlegen.
    Sie ließ ihre Unterwäsche auf den Haufen fallen, ohne einen Blick in das Gesicht des Geistes zu werfen, und stieg dann schnell in den Teich.
    Das Wasser begrüßte ihre Haut mit einem so intensiven Gefühl des Wohlbefindens, dass sie einige Augenblicke lang stehen bleiben musste. Sie watete weiter hinein, bis das Wasser ihre Hüften erreichte, und setzte sich dann hin, um ihren ganzen Körper zu benetzen.
    Es war warm, so

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