die Seelenwächterin - Smith-Ready, J: Seelenwächterin
Vater zu werden, als seine Partnerin schwanger geworden war. Wolf hatte Marek bestraft, indem er die Gaben seiner zweiten Phase verändert hatte. Rhia hatte schon gesehen, wie junge Asermonier in der gleichen Situation ähnliche Konsequenzen zu tragen hatten, aber nie zwei Jahre lang. Wenn eine Person erst einmal die Verantwortung, ein Kind zu erziehen, übernommen hatte, kehrten seine Gaben in den Normalzustand zurück. Aber Krähe hatte Marek diese Chance geraubt.
Sie wartete einen Augenblick, ehe sie die offensichtliche Frage stellte. „Warum hast du dann letzte Nacht mit mir geschlafen? Wenn du so viel Angst hast...”
„Ich weiß es nicht. Ein Teil von mir will dich nie wieder ansehen und vergessen, dass ich diese Gefühle habe. Der andere Teil will alles von dir wissen, damit ich verstehen kann, warum.”
„Warum was?”
„Warum ich dich gebraucht habe”, er knirschte mit den Zähnen, „und das so sehr.”
Rhia schlang die Arme um seine Schultern und zog ihn an sich. Er streckte die Hände erst nach der Decke aus und legte sie ihr dann auf den Rücken.
Sie hielten einander, ohne zu sprechen, bis Rhias Magen sie mit einem beleidigten Knurren unterbrach.
Marek lachte und ließ sie los. „Das Wichtigste zuerst.” Wieder war sie beeindruckt von seinen Kochküsten. Sie fragte sich, ob sie dieses Privileg noch genießen durfte, wenn ihre Reise vorüber war.
„Werde ich in Kalindos bei Coranna leben?”, fragte sie Marek, sobald sie zwischen den einzelnen Bissen Luft holen konnte.
„Ich denke, schon.”
„Lebst du noch bei ihr?”
„Nein. Ich habe mein eigenes Haus. Es ist im Baum nebenan, wenn du also vorbeikommen willst ...” Zweideutig grinste er sie an.
„Ich denke, das werde ich.” Sie kratzte den restlichen Fisch von den Blättern, in die er gewickelt war. „Wird es Coranna etwas ausmachen, wenn du und ich ...” Sie wusste noch nicht, wie sie beschreiben sollte, was zwischen ihr und Marek war.
„Nein. Ich denke, sie wird erleichtert sein, dass ich ...” Er brach den Satz ab und runzelte die Stirn.
„Dass du jemanden gefunden hast?”, schlug sie vor.
„Ja.” Der Satz schien ihm zu gefallen. „Ich habe jemanden gefunden.” Er wurde auf einmal fröhlicher. „Ich will dir etwas zeigen, was dir, glaube ich, gefällt.”
Sie löschten das Feuer mit Wasser und packten die restlichen zwei Fische in Eis ein. Bald waren sie wieder auf dem Weg, das Ufer entlang, wo Sträucher und Reet es ihnen erlaubten. Später erklommen sie den Hügel, um durch den Wald weiterzugehen, immer in Hörweite des rauschenden Wassers – für Marek, wenn auch nicht immer für sie.
„Wir kommen näher”, sagte er, als das Wasser so leise wurde, dass sie es kaum noch hören konnte. „Ein ruhiger Arm trennt sich vom Hauptfluss. Er bildet eine Art Becken.”
„Es ist zu kalt, um zu schwimmen.”
„Für Menschen, ja. Lass uns ruhig sein, damit wir sie nicht stören.”
Sie wollte fragen: Was stören?, merkte aber, dass sie dann nicht ruhig wäre. Marek zeigte auf seine Füße, und sie sah zu, wie er ging, um kein Geräusch zu machen, wie er die Knie beugte und sein Gewicht erst auf die Außenseiten der Füße verlagerte, ehe er sein Fußgewölbe abrollte. Sie machte seine Schritte, so gut sie konnte, nach, raschelte noch hier und da durch die Blätter, war aber insgesamt viel leiser als vorher.
Rhia konzentrierte sich so fest darauf, jedes Geräusch zu vermeiden, dass sie nicht merkte, was vor ihr war, bis sie gegen Marek stieß.
Vor ihnen lag ein großes Wasserbecken, auf drei Seiten von Bäumen umgeben und auf der vierten gespeist von Flusswasser. Ein steiles schlammiges Ufer führte von links in das Becken, die Oberfläche von Wasser geglättet, was Rhia seltsam fand, weil es keine anderen Anzeichen gab, dass es vor Kurzem geregnet hatte.
Ein leises Platschen zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. Ein Gesicht tauchte aus dem Wasser auf, und sie wurde aus scharfen schwarzen Augen betrachtet. Lange Schnurrhaare zuckten. Die Kreatur trillerte und verschwand wieder unter Wasser.
Plötzlich schoss ein schlankes braunes Tier aus dem Wasser, gefolgt von drei kleineren und einem größeren ganz am Ende. Ihre Körper schaukelten und krümmten sich wie Raupen, als sie das Ufer erklommen.
Rhia legte sich eine Hand auf den Mund. „Oh ...”
„Was ist los?”, flüsterte Marek.
„Meine Mutter. Meine Mutter war Otter.”
Er sog zischend die Luft ein. „Rhia, es tut mir leid. Wir können gehen, wenn du
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