die Seelenwächterin - Smith-Ready, J: Seelenwächterin
von mir liegt.”
Rhia blickte wieder nach vorn. Innerhalb weniger Augenblicke spürte sie, wie ein Rinnsal aus Energie sie durchzog, erst zögernd und unsicher, dann mit mehr Kraft und Sicherheit, als hätte sie ihm unbewusst ein Signal gegeben, zu passieren.
„Lass alles zu”, flüsterte er. „Lass alles in dir sich entfalten. Fühle, wie es dich durchströmt.”
„Was ist das?”
Er antwortete nicht, und sie spürte, dass diese Sache keinen Namen trug. Das Rinnsal wurde zu einem Fluss, die Energie der Welt floss durch ihre Körper. Es lag unerreichbar für sie und doch nicht außerhalb von ihnen – es war in ihnen, vor ihnen, zwischen ihnen. Es hatte schon vor den ersten Menschen bestanden, selbst vor den ersten Tieren, und es würde noch fließen, lange nachdem sie alle auf die andere Seite getreten waren.
Es bewegte sich von der Erde fort zu den Sternen und dem Mond und der Sonne – selbst an ihnen vorbei zu den dunkelsten Winkeln der oberen Welt.
Die Nacht wiegte sie in sich, und sie verstand mit merkwürdiger Sicherheit, dass ein großer Teil des Lebens in Dunkelheit und Rätsel gehüllt war. Sich darin zu bewegen und anderen zu helfen, das Gleiche zu tun, musste sie hinnehmen, wie es sie hingenommen hatte.
Doch Krähe hatte gesagt, sie durfte sich nicht von der Dunkelheit aufnehmen lassen.
„Marek?”, flüsterte sie.
J a ? “
„Versprichst du mir etwas?”
Er verspannte sich kaum merklich. „Was denn?”
„Egal, was zwischen uns geschieht – lass nicht zu, dass ich mich verliere.”
„Ich verstehe.” Er legte die Finger um ihre. „Was auch immer wir füreinander werden, ich verspreche, dich in dieser Welt zu halten.”
„Selbst wenn ich nicht bleiben will.”
„Besonders wenn du nicht bleiben willst.”
Sie wandte den Kopf, um ihn zu küssen. Der Energiefluss rann durch ihre Lippen, wie er durch ihre Hände geströmt war. Und fand schon bald in andere Regionen.
Als sie Stunden später in Mareks Armen einschlief, fühlte Rhia sich mit allem verbunden, das je gelebt hatte und je leben würde. Sie wusste, der Augenblick und die Gefühle waren zerbrechlich, und hielt sich nur sehr sanft daran fest, falls sie zerbrechen und verschwinden sollten.
Vor ihr lag Kalindos, voller Unsicherheit, Prüfungen und weiteren Verwandlungen. Hinter ihr lag Asermos, voller Sicherheit, aber auch Schmerz und Trauer. Hier im Wald, auf dem Pfad zwischen Vergangenheit und Zukunft, lag ein dunkler Ort des Friedens. Sie würde noch etwas länger darin verweilen.
18. KAPITEL
R hia konnte sich nicht bewegen.
Erst dachte sie, Mareks Körper wäre um sie geschlungen, aber dann sah sie ihn am anderen Ende der Lichtung, wo er für das Frühstück ein kleines Feuer entzündete. Sie wurde von nichts gehalten.
Nichts außer ihrer eigenen Schwäche.
Marek sah zu ihr hinüber. „Endlich bist du wach. Ich hoffe, Opossum schmeckt dir. Ich war heute Morgen zu langsam und müde, um einen Hasen zu fangen.” Er machte sich nicht die Mühe, sein Grinsen zu verbergen. „Deine Schuld natürlich.”
Sie schob die Decke von sich, und ihre Muskeln protestierten dabei. Das war alles, was sie konnte.
„Ich werde dich nicht füttern wie ein Vogelküken.” Marek schürte das Feuer. „Wenn du mir beim Kochen hilfst, schmeckt es besser.”
„Ich kann nicht aufstehen”, krächzte sie.
Erstaunt sah er sich zu ihr um. „Was ist los?”
„Ich weiß es nicht, ich war nicht mehr so schwach, seit ich ...”
Seit sie ein Kind gewesen war. Sie begann zu zittern. Marek kam zu ihr. Er strich ihr das Haar aus den Augen und legte ihr dann eine Hand auf die Stirn.
„Du hast Fieber. Nicht sehr hoch.” Er hockte sich hin und sah sie nachdenklich an. „Das ist auch kein Wunder. Du hast drei Tage und vier Nächte ohne Nahrung zugebracht, dann bist du zwei Nächte und einen Tag gewandert und hast ... andere anstrengende Dinge getan. Du musst dich erholen.”
„Marek, du verstehst das nicht. Als ich ein Kind war, war ich krank. Es hat von meinen Muskeln gezehrt, bis ich kaum noch gehen konnte, ich konnte kaum atmen. Ich bin fast gestorben.”
Verängstigt sah er sie an, dann schüttelte er den Kopf. „Warum sollte Krähe dich zu deiner Weihung bringen, nur um dich dann gleich auf die andere Seite zu holen?”
„Ich habe dir schon gesagt, er arbeitet in seinem Tempo, nicht in unserem.”
„Aber er braucht dich zu sehr, um seine Arbeit in dieser Welt zu tun.”
Rhia hatte noch nie darüber nachgedacht, dass der Geist
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