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die Seelenwächterin - Smith-Ready, J: Seelenwächterin

die Seelenwächterin - Smith-Ready, J: Seelenwächterin

Titel: die Seelenwächterin - Smith-Ready, J: Seelenwächterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeri Smith-Ready
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sich so leise und vorsichtig, als wollte sie den Boden mit ihrer geräuschlosen Anwesenheit ehren. Wie die anderen Kalindonier war auch sie in den trüben Farben des Pinienwaldes gekleidet, aber aus ihr schien ein Licht zu leuchten, das nicht von dieser Welt stammte.
    Sie bewegte sich wie der Tod selbst – bedächtig, flüssig und unaufhaltsam.
    Rhia wollte zur gleichen Zeit vortreten und sich zurückziehen. War das der letzte Anblick eines Sterbenden? Würde sie selbst eines Tages so ätherisch und einschüchternd wirken? Sie konnte sich nicht vorstellen, solche Macht zu besitzen und solche Herrlichkeit.
    Die Frau blieb vor Rhia stehen, die endlich daran dachte, sich zu verneigen. Die andere erwiderte die Geste und streckte dann die Hände mit den Handflächen nach unten aus.
    „Rhia, willkommen. Ich bin Coranna.”
    Rhia nahm Corannas Hand und räusperte sich. „Ja, das seid Ihr. Vielmehr, das dachte ich mir. Ich habe es angenommen.” Sie presste die Lippen aufeinander, ehe sie noch mehr hohle Worte hervorstieß.
    Ein gelassenes Lächeln breitete sich auf Corannas Gesicht aus. Sie legte ihre andere Hand gegen Rhias Wange. Rhia kämpfte gegen den Drang an, sich gegen die langen, starken Finger zu lehnen wie ein Hund, der eifrig gestreichelt werden wollte.
    „Es ist schon viele Jahre her, seit ich den letzten Lehrling hatte”, sagte Coranna. „Ich begrüße dich ... wir alle grüßen dich”, sie bezog die Menge mit einer einzigen fließenden Geste ein, „mit äußerster Freude.”
    Rhia sah in den Gesichtern der Kalindonier nichts, was an Freude erinnerte. Sie lächelten, doch voller Sehnsucht, als hätten sie sich nur mit ihrer Anwesenheit abgefunden. Hatte sie die Anwesenden bereits enttäuscht? Oder fürchteten sie vielleicht den Anblick eines Boten des Todes? Vielleicht lag diese Zurückhaltung in der Art der Kalindonier, aber wenn das der Fall war, passte Marek nicht hierher. Er war alles andere als zurückhaltend.
    Sie sah ihn an. Sein verwunderter Gesichtsausdruck verriet, dass auch er die zurückhaltende Begrüßung nicht verstand.
    Statt sich zu verbeugen, wie Asermonier es getan hätten, trat jeder von ihnen vor und umarmte Rhia, wenn auch keiner so viel Enthusiasmus zeigte, wie Alanka es getan hatte. Sie bemühte sich sehr, sich Namen und Geister zu merken, da die Kalindonier keine Fetische trugen. In einem so kleinen Dorf, wurde ihr klar, kannte jeder seinen Nachbarn, und es gab keinen Grund, seine Gaben nach außen zu tragen.
    Im Ganzen schienen sie ihr kleiner und leichter als die Asermonier zu sein. Rhia fragte sich, ob ihr leichter Körperbau mit ihrer berüchtigten kargen Ernährung zu tun hatte. Wenigstens brachte es ihnen in ihrer Umgebung einen Vorteil – jedes Gewicht zu viel machte das Klettern in und aus ihren Behausungen anstrengender.
    Die letzte Person, die sich ihr vorstellte, war ein überdurchschnittlich großer Mann mit schwarzem Haar und ebensolchen Augen.
    „Endlich.” Alanka drücke Rhias Ellenbogen. „Das ist mein Vater, Razvin.”
    Der Mann nahm Rhias Hand und verbeugte sich tief darüber, als wollte er sie küssen. „Es ist eine Ehre”, sagte er mit einer Stimme, so weich wie Butter, „für einen alten Fuchs wie mich, eine so schöne junge Krähe kennenzulernen.”
    Rhias Schulter zuckte, als wollte sie ihre Hand zurückziehen. Mayra hatte ihr gesagt, sie solle niemals einem Fuchs vertrauen.
    Alanka stöhnte tief auf. „Vater, bitte. Du bist nicht alt.” „Aber sie ist schön”, sagte er, ohne den Blick von Rhia zu nehmen, die spürte, wie Marek näher an ihre Seite trat. „Sind wir uns schon einmal begegnet?”, fragte Razvin sie.
    Alanka lachte und nahm ihren Vater am Arm. „Natürlich nicht. Lass uns nach Hause gehen, ehe du dich lächerlich machst.”
    „Ich glaube, dafür ist es schon zu spät.” Razvin nickte Rhia zum Abschied zu und überließ seiner Tochter die Führung. Rhia starrte ihnen nach.
    „Beachte ihn nicht”, sagte Marek. „Er hält sich für charmant.”
    Sie drückte seine Hand. „Danke für alles.”
    Er zog sie an sich und küsste sie auf die Schläfe.
    „Oh nein.”
    Rhia drehte sich um und sah, wie Coranna sie verzweifelt ansah. Im nächsten Augenblick verbarg sie ihre Miene hinter einem angespannten Lächeln und winkte Rhia, ihr zu folgen.
    Marek war ebenso verwirrt wie Rhia. Er ließ ihre Hand los. „Geh schon. Wir sehen uns bald.” Er blickte Corannas verschwindender Gestalt nach. „Hoffe ich.”

20. KAPITEL
    D u schaffst

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