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Die Segel von Tau-Ceti

Die Segel von Tau-Ceti

Titel: Die Segel von Tau-Ceti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael McCollum
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fuhr Pierce fort, »ionisiert irgendjemand Wasserstoffatome und stößt sie dann mit einer sehr starken elektrischen Ladung vom Segel ab.«
    »Wieso sollte man so etwas wohl tun?«
    »Natürlich um abzubremsen. Sie puffern ihre Flugbahn sozusagen mit interstellarem Gas, um die Geschwindigkeit zu verringern. Sie haben das Segel in eine elektrostatische Bremse verwandelt!«
    »Sie?«, fragte Ben.
    Pierce schien die Frage nicht zu hören. »Und bezüglich der Größe haben wir uns auch geirrt. Das Segel ist verdammt noch mal viel größer als tausend Kilometer. Es war bis vor Kurzem wahrscheinlich zusammengerollt.«
    »Gerefft?«
    »Zusammengerollt! Ein voll entfaltetes Lichtsegel würde auf einer zweihundertfünfzig Jahre langen Reise einen zu großen Widerstand erzeugen. Da verstaut man es besser, bis man es zum Abbremsen benötigt. Das verringert außerdem den Verschleiß.«
    »Wenn man Sie so hört, könnte man gerade meinen, es sei doch eine Besatzung an Bord«, sagte Tory. Obwohl sie durch den Scotch wohlig benebelt war, erfasste sie die Weiterungen von Pierces Aussagen.
    »Wir glauben, dass es noch eine Besatzung gibt. Kommen Sie, wir verabreichen Ihnen eine Ausnüchterungspille. Wir müssen Pläne schmieden. Die Situation hat sich grundlegend verändert.«
    Es waren nur noch drei Personen im Konferenzraum, als Pierce mit Tory und Ben Tallen zurückkehrte. Tory ging schwankend zu ihrem Platz am Tisch. Das Ausnüchterungspräparat »Quiksober« war vor fast einem Jahrhundert erfunden worden, doch war Desorientierung die schwerste Nebenwirkung der Wunderdroge, die man bisher noch nicht vollständig in den Griff bekommen hatte.
    Sie schaltete ihr Implantat ein und wartete, bis es die Selbsttest-Sequenz absolviert hatte. Nachdem sie sich von der ordnungsgemäßen Funktion des Implantats überzeugt hatte, fragte sie: »In Ordnung, wie ist der Stand der Dinge?«
    Tory hatte eigentlich beabsichtigt, den Dateiverweis für die neuen Daten anzufordern, damit sie darauf zuzugreifen vermochte. Boris Hunsacker verstand ihre Anforderung jedoch falsch, oder vielleicht mussten die Daten auch erst noch in den Computer eingegeben werden. Er ließ die Beleuchtung dimmen und den Holowürfel aktivieren.
    Das vertraute Sternenfeld war im Wesentlichen unverändert. Tau Ceti leuchtete hell in seiner Gashülle, aber das Lichtsegel, das zuvor eine »ausgebleichte« Version des Sonnenspektrums dargestellt hatte, loderte nun ebenfalls wie eine neue Nova. Der ehemalige trübe gelbe Punkt leuchtete blauweiß wie eine Quecksilberdampflampe.
    »Hat etwas Farbe bekommen, nicht wahr?«
    »Eine Untertreibung, Miss Bronson«, erwiderte Sadibayan trocken. »Bei der ersten Beobachtung glaubte Luna, das Segel sei explodiert.«
    »Ist es sofort auf ganzer Fläche aufgelodert?«
    Hunsacker nickte. »Der Zeitraum vom Ausbruch bis zum Maximum betrug nur drei Millisekunden. Deshalb haben wir von vornherein auf eine elektrostatische Bremsvorrichtung getippt. Bei Reibung als Ursache wäre die Temperatur nämlich nicht so sprunghaft angestiegen. Außerdem würden wir dann keine relativistischen Protonen sehen.«
    »Reibung?«
    »Einer der Luna-Astronomen postulierte, dass das Segel in eine Gaswolke geflogen sei, die einen Kometennukleus draußen in der Oort'schen Wolke umgab«, erläuterte Hunsacker.
    Der Staatssekretär schüttelte den Kopf. »Alles, was dicht genug ist, um es zu einem solchen Glühen anzuregen, hätte es auseinandergerissen.«
    »Erkennen wir schon eine Verzögerung?«
    »Das kann man nicht sagen, verdammt. Wir könnten seine Geschwindigkeit einigermaßen zuverlässig abschätzen, wenn es Sonnenlicht reflektieren würde. Es ist eine leichte Übung, die Dopplerverschiebung von einem bekannten Spektrum zu messen. Wo das Segel aber nun sein eigenes Licht emittiert, haben wir auch diesen Hinweis verloren.«
    »Dann wissen wir also nicht, wie schnell es verzögert?«
    »Nicht direkt. Falls sie wirklich beabsichtigen, im Sonnensystem zu stoppen, müssten sie mit ungefähr einem Tausendstel einer Standard-Gravitation abbremsen.«
    »Das ist nicht sehr viel.«
    »Aber mehr als genug, um vor der Sonne zum Stehen zu kommen. Bedenken Sie, dass sie einen verdammt langen Bremsweg haben.«
    »Wenn sie abbremsen, werden sie aber auch nicht so schnell ankommen.«
    »Stimmt. Unseren aktuellen Schätzungen zufolge wird das Segel erst in fünf Jahren bei uns eintreffen statt in dreieinhalb. Eine exaktere Prognose hängt von der Ermittlung ihrer

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