Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Segel von Tau-Ceti

Die Segel von Tau-Ceti

Titel: Die Segel von Tau-Ceti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael McCollum
Vom Netzwerk:
verloren.
    Garth streckte die Hand aus und strich ihr mit den Fingern sanft über die Wange. »Wir sagen Kit, dass sie dich mal durchchecken solle.«
    »Später. Jetzt brauche ich meinen Schlaf. Ich bin letzte Nacht kaum zur Ruhe gekommen«, sagte sie sarkastisch.
    »Ich erinnere mich dunkel«, antwortete er.
    Diesmal sagte Tory es laut: »Typisch Mann!«
    Garth stieg aus dem Bett und ging in den Sanitärbereich, während Tory sich schlafend stellte. Und fast wäre sie auch wieder eingeschlafen. Nachdem Garth gegen Mitternacht eingeschlummert war, hatte sie sich stundenlang herumgewälzt, weil ihr überreiztes Gehirn einfach nicht zur Ruhe kommen wollte. Sie hatte sich wie ein wildes Tier in einem Käfig gefühlt, das die Grenzen seines Dilemmas abschritt — immer auf der Suche nach der Schwachstelle, die einen Ausweg verhieß. Sie erinnerte sich nicht mehr, wann sie in eine segensreiche Umnachtung gefallen war, aber sie wusste, dass sie in dieser Nacht keine zwei Stunden geschlafen hatte.
    Dass sie Ruhe brauchte, war auch nicht der einzige Grund, um eine Begegnung mit Kit Claridge zu vermeiden. Ein Verlust der Synchronisation hinterließ nämlich unauslöschliche Zeichen bei den Reflexen des Opfers. Tory durfte sich keiner Kontrolluntersuchung unterziehen, weil die Ergebnisse offenbaren würden, dass ihre Reflexe absolut in Ordnung waren. Sie würde der Ärztin so lange aus dem Weg gehen müssen, bis sie durch den Zeitablauf glaubhaft machen konnte, die Nachwirkungen überstanden zu haben.
    Garth kam aus dem Sanitärbereich und wischte sich Enthaarungscreme vom Kinn. »Du wirst keine weiteren Versuche unternehmen, dich in den Bordcomputer einzuloggen. Wir haben schon so lange ohne diesen Empfänger in deinem Kopf gelebt, dass wir auch noch ein paar Wochen ohne ihn auskommen.«
    Tory fiel gerade noch rechtzeitig ein: Offiziell durfte sie gar nicht wissen, dass der Zeitpunkt für ihre Abreise bereits feststand. »Was meinst du damit?«
    »Ich meine, dass wir nach Hause gehen.« »Hä?«
    »Ganz recht. Wir starten morgen in drei Wochen, wenn wir rechtzeitig fertig werden. Bis dahin gibt es noch sehr viel zu tun. Faslorn und drei andere werden mit uns kommen. Wir werden ihre Kälteschlaftanks und phelanischen Proviant in der Ladebucht unterbringen müssen.«
    »Und was ist mit unserer Verpflegung?«
    »Die bringen wir in den Wohnbereich. Wir werden auf dem Rückflug unter etwas beengten Bedingungen hausen.«
    Drei Wochen! Kein Wunder, dass Faslorn es so eilig gehabt hatte, einen Vertreter zu finden. Wenn sie einen Ausweg aus dem Dilemma finden wollte, hätte sie dafür maximal zwei Monate Zeit. Sobald die Austria den Gipfel der Geschwindigkeit wieder erklomm, würde die menschliche Mannschaft ihren phelanischen Passagieren in die Schlaftanks folgen. Die Rückkehr zur Erde würde ein Jahr dauern — ein für alle verlorenes Jahr, das mit kalten Träumen ausgefüllt war. In einem Jahr konnte jedoch viel geschehen. Die Erde durchschaute vielleicht die Maskerade der Phelaner, oder sie entdeckte die Dritte Flotte oder lehnte den Asylantrag der Phelaner ab. Tory hatte die albtraumhafte Vision, in einer explodierenden Sonne aufzuwachen - nur dass sie gar nicht mehr erwachen würde, nachdem die Sonne explodiert war ...
    Für einen Moment spielte sie mit dem Gedanken, Garth ihr Problem mitzuteilen. Selbst wenn sie kontrolliert wurden, könnten die Phelaner nicht schnell genug reagieren, um sie zu stoppen. Doch der Gedanke erlosch, bevor er ausgeführt wurde. Im günstigsten Fall würden die Phelaner sie alle gefangennehmen und die Kommunikation mit der Erde unterbrechen. Oder vielleicht würden sie den Anschein der Normalität auch wahren, den Start der Austria planmäßig über die Bühne bringen und eine Explosion der Triebwerke herbeiführen. Es würde dann genügen, in einer Kondolenzbotschaft an die Erde ein paar Krokodilstränen wegen des Todes der tapferen Besatzung zu vergießen.
    Vielleicht vermochte sie Garth auch ein Signal zu senden, das die Phelaner nicht als solches erkannten. Aber zu welchem Zweck? Wenn sie ihn alarmieren würde und es ihm gelang, eine Nachricht an die Erde abzusetzen, würde die Sonne in sechs kurzen Jahren eine Million Mal heller scheinen als heute. Wie sie sich am vorigen Tag schon bewusst geworden war, hatte Faslorn sie umso fester im Griff, weil ihre Verantwortung eine moralische war.
    »Bist du sicher, dass mit dir alles in Ordnung ist?«, fragte Garth nochmals, als er Anstalten machte, die

Weitere Kostenlose Bücher