Die Seherin von Garmisch
er zeigen konnte, dass er Geld
hatte. Auch wenn’s nur das von seinen Eltern war.
»I würd’s lassen«, sagte er zu Schafmann. »Fünfe is
die allweil wert.«
Schibbsie sah ihn ärgerlich an.
»Was soll des denn?«, fragte Severin. »Willst de Bulln
noch veroarschn, wo se di scho an de Eier habn?«
Schibbsie grunzte böse. »Dreieinhalb. Mehr hab ich
nicht«, sagte er.
Kommissar Schwemmer legte das Blatt weg. »Sie gehen
noch zur Schule«, sagte er. »Sie haben sieben Gitarren zu Hause. Und Sie können
jetzt noch mal dreieinhalbtausend Euro für eine achte aufbringen. Um welche
Summe muss es dann wohl bei der Erpressung gegangen sein, die da so tragisch
gescheitert ist?«
Schafmanns Blick zeigte, dass er fast so überrascht
war wie Severin.
Nur Schibbsie schien gar nicht überrascht. »Auch wenn
die andern auspacken: Ich sag nichts.«
»Aber Auspacken kommt generell immer gut an«, sagte
Schwemmer. »Bei uns, bei der Staatsanwaltschaft und bei Gericht.«
Schibbsie stieß ein böses Lachen aus. »Glauben Sie,
dass ich vor Ihnen Angst hätte?«
»Vor wem haben Sie denn Angst, Herr Schieb?«, fragte
Schwemmer, aber Schibbsie antwortete nicht mehr.
* * *
»Also gehen wir jetzt von einer Erpressung aus?«,
fragte Schafmann, aber er erhielt keine Antwort.
Schwemmer starrte auf das Blatt. Drei Strophen und ein
Zwischenteil. »Du pisst dich an, wenn die Alte mault …«, las er vor und sah zu
Schafmann. »›Weil du immer fickst, was übrig bleibt …‹ Ja, sag mal!«
»Gefällt’s dir nicht?«, fragte Schafmann.
»Weiß nicht … Ich denk, dein Bruder ist beim
Ordnungsamt. Und der hat so was geschrieben?«
»Der Text ist nicht von ihm, nur die Akkorde.«
Schafmann zuckte die Achseln. »War unser bestes Stück«, sagte er dann leise.
»Unser? Hast du da mitgemacht?«
»’ne Zeit lang.«
»Ich wusste gar nicht, dass du ein Instrument spielst«
»Ich war der Sänger.«
»Ach so. Dann hat euer Großer also dein Talent
geerbt?«
»Gott sei Dank nicht. Mit meinem Talent hätten
die Tölzer ihn nicht genommen.«
Schwemmer sah wieder auf das Blatt. »›Es ist nicht,
dass du leidest, nicht mal, dass du dran stirbst, schon gar nicht dein Gejammer
– es ist, dass du’s wieder mal verdirbst.‹ … Holpert ein bisschen, oder?«
»Wenn man’s singt, geht’s.«
Schwemmer legte den Kopf schräg. »Wenn der Text nicht
von deinem Bruder ist …?«
Schafmann ging zum Fenster und sah hinaus. »Ist
fünfundzwanzig Jahr her«, murmelte er.
Schwemmer sah Schafmanns Rücken an und schaffte es,
sich drei, vielleicht vier Sekunden zu beherrschen, dann prustete er los. Er
lachte sehr herzlich und hatte das Gefühl, dass ihm das sehr guttat, ganz
unabhängig vom Anlass – rein körperlich.
Schafmann rührte sich nicht, bis Schwemmer sich wieder
gefangen hatte.
»Wenn’s dich tröstet: Sie haben mich rausgeworfen«,
sagte er dann in Richtung Fenster.
»Warum?«
»Ich war ihnen zu ernsthaft.«
»Zu ernsthaft ?« Schwemmer zeigte auf das Blatt
in seiner Hand und platzte erneut heraus. »Wie hieß eure Band denn?«, fragte
er, als er wieder Luft bekam.
»Sag ich nicht.« Schafmann starrte weiter aus dem
Fenster.
»Ach komm!«
»Nein.«
»So machst du mich nur neugierig!« Wieder musste
Schwemmer lachen.
»Weiß gar nicht, was da dran lustig ist«, sagte
Schafmann. »Was hast du denn in dem Alter gemacht?«
»Fußball gespielt.«
»Genau. Kreisliga. Bis zu deinem Kniescheibenbruch,
den du heut noch spürst, wenn das Wetter wechselt.« Schafmann drehte sich um.
»Könnt man auch drüber lachen …«
Touché, dachte Schwemmer und legte das Blatt auf
Schafmanns Schreibtisch.
»Wie war’s in Nürnberg?«
Schwemmer nahm den Wechsel ins Dienstliche dankbar zur
Kenntnis und warf die grüne Mappe auf Schafmanns Schreibtisch.
»Mehr gibt’s nicht«, sagte er. »Das sind nur Spuren,
keine Beweise.«
Schafmann schlug die Mappe auf. »Die hören den ohne
Genehmigung ab?«
»Bleibt doch im Haus.«
»Offenbar ja nicht …« Schafmann blätterte weiter.
»Muss man alles überprüfen.« Er griff zum Telefon und wählte. »Arbeit, Frau
Kollegin«, sagte er. »Bitte sofort hier abholen.« Er legte auf. »Was hast du
erfahren?«
Schwemmer stieß ein ärgerliches Lachen aus. »Dass wir
kleinen Krauter dem BKA bitte
nicht im Weg stehen sollen. Immerhin dürfen wir weitermachen. Aber bitte
aufpassen, dass wir uns nicht die Finger verbrennen.«
»Nichts Brauchbares sonst?«
»Nur die Erkenntnis, dass das BKA
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