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Die Seherin von Garmisch

Titel: Die Seherin von Garmisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Schueller
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weckte. Das Erste, was er wahrnahm, war der Duft von Kaffee. Er
lächelte und schnurrte ein wenig, bevor er die Augen öffnete. Burgl saß auf dem
Bettrand. Sie beugte sich zu ihm herab und küsste ihn auf die Stirn.
    »Guten Morgen«, hauchte sie. Sie duftete nach Shampoo
und Hautcremes.
    Schwemmer warf einen Blick auf den Wecker. »Wieso hat
der nicht geklingelt?«
    »Weil ich ihn ausgemacht habe«, sagte Burgl. »So ist’s
doch schöner, oder?«
    »Ja … aber …« Er sah sie mit gerunzelter Stirn an.
Erst jetzt wurde ihm klar, was an der Situation nicht stimmte. »Was ist denn
mit deinem Rücken?«
    Sie zuckte lächelnd die Schulter.
    »Viel besser«, sagte sie.
    Sie nahm den Kaffeebecher, den sie auf seinem
Nachttisch abgestellt hatte, und reichte ihn Schwemmer. Er richtete sich
halbwegs auf und nahm einen vorsichtigen Schluck, der Kaffee war noch sehr
heiß.
    »Reibst du mich noch mal ein, bevor du gehst?«, fragte
Burgl.
    »Da kannst du dich aber drauf verlassen. Das scheint
ja das absolute Wundermittel zu sein.« Er setzte sich auf und klopfte mit der
Hand neben sich aufs Bett. Burgl kam gehorsam herum, reichte ihm die Flasche,
die auf ihrem Nachttisch stand, und legte sich auf den Bauch. Nicht voll
elastisch, aber doch ganz anders als gestern Abend.
    Die Dämpfe des Franzbranntweins weckten ihn endgültig
auf. Er schob Burgls Pyjamajacke hoch und verrieb eine Handvoll der Flüssigkeit
auf ihrem Rücken, der ihm auffällig rosa vorkam.
    »Brennt das sehr?«, fragte er.
    »Schon. Aber es hilft eben.«
    »Placeboeffekt«, brummte Schwemmer.
    »Ich sagte ja auch: Es hilft. Nicht: Es wirkt«,
erhielt er zur Antwort. »Mir ist Branntwein, der hilft, lieber als eine
Spritze, die wirkt.«
    »Ich hab mal gelesen, Hexenschuss sei überhaupt
psychosomatisch.«
    »Jetzt hör mal zu, du Schlauberger: Mit wem glaubst du
hier zu reden? Doch nicht etwa mit einer Diplom-Psychologin, oder?«
    »Isjagut«, murmelte Schwemmer. Es musste an der frühen
Stunde liegen, sonst wäre ihm die Unvorsichtigkeit nicht unterlaufen, Burgl auf
ihrem ureigenen Terrain herauszufordern.
    »Glaubst du, bloß weil ich nicht mehr praktiziere, hab
ich keine Ahnung mehr von der Materie? Und eins solltest sogar du als Amateur
wissen: Ein psychosomatischer Hexenschuss tut kein bisschen weniger weh als ein
physiologischer. Und wer heilt, hat recht.«
    Schwemmer unterdrückte ein »Jaja« und verteilte
stattdessen schweigend die Portionen zwei und drei auf dem mittlerweile
leuchtend roten Rücken seiner Frau, dann zog er ihr die Pyjamajacke wieder
runter und deckte sie zu. Er beugte sich zu ihr hinunter und hauchte ihr einen
Kuss in den Nacken. »Danke für den Kaffee«, flüsterte er. »Und schlaf noch
schön.«
    Als Antwort erhielt er ein Knurren, von dem er wusste,
dass es viel liebevoller gemeint war, als es klang.
    * * *
    Danni war schon aus dem Haus, als Severin in die Küche
kam.
    »I hab’s noch a paarmal probiert. Spacko geht ned
dran«, sagte er.
    Johanna schob ihm die Plastikbox mit seinen
Pausenbroten zu.
    »Merci«, sagte er ernst, dann nahm er einen hastigen
Schluck Kaffee. »I muss los.« Er steckte seine Brote ein. »I versuch’s weiter,
beim Spacko«, sagte er.
    Sie lächelte zum Abschied, dann war er aus der Tür.
Langsam stand sie auf, streifte ihre Windjacke über und griff nach dem
Autoschlüssel.
    Der Morgenhimmel war blau, aber gesprenkelt von
zerzausten Wolkenfetzen. Johanna schloss gerade die Garage auf, als sie
angesprochen wurde. Auf dem Bürgersteig stand Frau Heinckes – Heißt sie so?,
dachte Johanna. Sie wohnte in der Talackerstraße, Johanna kannte sie nur
flüchtig, hatte sich gerade einmal an der Wursttheke im Tengelmann länger mit
ihr unterhalten.
    »Entschuldigung, Frau Kindel …«
    Frau Heinckes näherte sich zögernd und sah sich um,
als wolle sie sich versichern, allein mit Johanna zu sein.
    »Frau Kindel, stimmt das, dass Sie wieder weissagen?«
    »Wie kommens denn da drauf?« Johanna setzte eine
abweisende Miene auf, aber das schien Frau Heinckes nicht zu merken.
    »Ich hab das gehört, heut früh beim Bäcker …«
    »Beim Bäcker? Ja, Herrgottsakra …« entfuhr es Johanna.
Das durfte nicht wahr sein! Hatte dieser Schwemmer das tatsächlich rumgeratscht?
    »Es ist ja nur wegen unserm Florian. Der macht doch
Abitur dieses Jahr, und da wollt ich Sie fragen, ob Sie mir sagen können, ob er
es schafft.«
    Johanna schüttelte resigniert den Kopf.
    »Er schafft’s nicht?«, fragte Frau

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