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Die Sehnsucht der Falter

Die Sehnsucht der Falter

Titel: Die Sehnsucht der Falter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Klein
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wandten uns dem Essen zu, das inzwischen kalt geworden war, und sagten nichts mehr. Endlich bin ich nicht mehr allein mit meinem Verdacht. Wir wissen noch nicht, was sie ist.
    Lucy ist meistens gegenüber bei Ernessa. Doch sie könnte ebenso gut am anderen Ende der Welt sein.

Dezember
1. Dezember
    Heute wurden Listen für die Basketball-Probespiele ausgehängt. Fast hätte ich mich gar nicht eingetragen. Ich habe einfach nicht die Energie, es noch einmal zu versuchen und doch wieder nur in der D-Mannschaft zu landen, zusammen mit all den Trampeln, die sich überhaupt nicht für das Spiel interessieren. Und die D-Mannschaft wird immer von Miss Bobbie trainiert. Es ist völlig egal, wie gut ich spiele. Und dass ich die meisten Körbe erziele. Ich bleibe immer bei den Letzten. Als ich mich eintrug, habe ich gar nicht Lucys Namen auf der Liste gesehen. Letztes Jahr war sie in der B-Mannschaft, obwohl sie kein bisschen besser ist als ich, und in diesem Jahr kann sie es durchaus in die Junior-Schulauswahl schaffen. Beim Basketball ist es schwerer, in die A-Mannschaft zu kommen, weil die Teams kleiner sind. Ich frage sie nach dem Abendessen.
Nach dem Abendessen
    Lucy sagte, sie nehme dieses Jahr nicht an den Probespielen teil. Es gehe zu viel Zeit für Training und Spiele drauf. Sie sei ohnehin schon müde. Und hinke in allen Fächern hinterher. Ich fragte sie, was sie stattdessen gewählt habe. Gymnastik. Das ist für die, die eigentlich auf gar nichts Lust haben, aber so tun müssen, als trieben sie Sport. Ich glaube ihr kein Wort. Sie hinkt immer hinterher. Lucy liebt Sport. Sicher hat sie nur wegen Ernessa Gymnastik gewählt. Sie sind unzertrennlich geworden. Lucy interessiert sich für nichts mehr, für das sie sich früher interessiert hat. Ernessa hat Besitz von ihr ergriffen. Sie verzehrt sie.
2. Dezember
    Ich glaube, das mit dem Basketball überlege ich mir noch mal. Gymnastik kommt nicht infrage. Das würde ich nie machen – wie ein Hampelmann herumspringen und auf dem Rücken liegen und die Beine in die Luft strecken. Vielleicht wird Modern Dance bei Mrs. Harlan angeboten, wenn genügend Mädchen zusammenkommen. Sie ist die einzige Sportlehrerin, die nicht wie ein Kerl aussieht, obwohl sie wie alle einen Schottenrock trägt. Sie ist verheiratet. Und sehr nett zu mir. Als Miss Bobbie mich einmal ohne Bluse unter dem Pullover erwischt hatte, kam Mrs. Harlan im Studierzimmer auf mich zu und sagte: »Du solltest dich lieber an die Regeln halten, falls du nicht jeden Freitagnachmittag hier verbringen möchtest. Es ist doch nicht so schwer, die Uniformbluse zu tragen.«
    Ich kann Miss Bobbies Nähe nicht ertragen. In diesem Jahr hasse ich sie mehr denn je. Und sie hasst mich, weil ich Jüdin bin. Das ist alles. Immerhin habe ich einen Grund, sie zu hassen. Ich mag ihre braunen, eingedellten Knie und die wabbligen Oberschenkel unter dem Schottenrock und die schlaffe Haut unter dem kurzen weißen Haar gar nicht ansehen.
    Heute kam sie bei den Basketballproben ausgerechnet zu mir und erkundigte sich nach meiner Freundin Lucy. »Sie hätte dieses Jahr Chancen auf die Junior-Schulauswahl gehabt«, sagte sie.
    »Sie hat keine Zeit«, antwortete ich. »Es läuft nicht so gut in der Schule.«
    »Ich werde mal mit ihr reden.«
    Ich belege definitiv den Modern Dance, falls er angeboten wird. Vielleicht kann ich Dora und Charley überreden, mitzumachen. Dora ganz sicher.
     
    Die Judenbuche: »Die hebräische Schrift an dem Baume heißt: ›Wenn du dich diesem Orte nahest, so wird es dir ergehen, wie du mir getan hast.‹«
3. Dezember
    Es ist früh für Schnee. Als ich heute Morgen aus dem Fenster sah, war alles weiß. Es schneite nicht stark, nur gerade so, dass alles bedeckt war. Es ist kalt, und der Schnee schmilzt nicht. Es ist wohl Zeit, den Winterrock herauszuholen. Ich kann es nicht länger hinausschieben. Gibt es etwas Öderes als graue Wolle?
4. Dezember
    Gestern Abend sind Charley, Dora und ich rausgeschlichen, als alles dunkel war. Das habe ich seit meinem ersten Jahr nicht mehr gemacht. Damals habe ich mich nachts mit Autumn rausgeschlichen und Flugzeug-Schnapsfläschchen getrunken, die sie ihrer Mutter geklaut hatte. Damals war mir alles egal. Ich ging mit Autumn raus und hatte nie Angst. Jetzt habe ich nichts mehr mit ihr zu tun. Seit über einem Jahr habe ich nicht mehr mit ihr gesprochen. Ich wurde sehr gut in der Schule und wollte mir nicht alles durch einen Rausschmiss verderben. Ich will nicht mehr sein

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