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Die Sehnsucht der Falter

Die Sehnsucht der Falter

Titel: Die Sehnsucht der Falter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Klein
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ausgekleidet ist. Ich hatte sie in den Ferien zu Hause gekauft. Carol hatte in der Konditorei in der Stadt eine wunderschöne Geburtstagstorte mit Blumen bestellt. Sie fragte Mrs. Halton, ob wir in der Küche während der Ruhezeit Tee trinken und Torte essen dürften. Sofia wollte die Torte nicht. Sie sagte, sie würde ihre Diät ruinieren. Sie knabberte an der weißen Torte und ließ einen Riesenhaufen Zuckerguss mit rosa Rosen und grünen Stängeln auf dem Teller. Ich sah mich um und merkte, dass keines der Mädchen, die eng gedrängt um den Tisch saßen, von der Torte aß. Immerhin habe ich eine Entschuldigung. Ich aß eine von Sofias rosa Rosen. Sie war zu süß und buttrig. Niemand sagte etwas. Alle wirkten müde und verdrießlich. Was geschieht nur mit uns?
16. April
    Ich bin geschwommen. Das Becken war lang und schmal, und am Ende fiel das Sonnenlicht durch die hohen Fenster und tauchte ins Wasser. Die Oberfläche war angewärmt, doch in der Tiefe darunter blieb es kalt. Ich könnte ewig schwimmen, ohne müde zu werden. Das Wasser trug meinen schwimmenden Körper wie eine Hand. Ich konnte unmöglich darin versinken. Ich öffnete die Augen und sah, wie die Lichtpfeile die trübe, grüne Flüssigkeit durchdrangen und Schatten auf dem Boden hinterließen. Meine Arme hatten den Rhythmus verinnerlicht. Ich brauchte einfach nur da hinzutreiben. Ich brauchte mich vor nichts zu fürchten.
18. April
Früher Morgen
    Als ich die Augen aufmachte, summte ich »Morning has broken« vor mich hin. Schon wieder Cat Stevens. Allmählich ergeben seine Texte einen Sinn. Nur bin ich nicht davon überzeugt, dass jeder Morgen ein neuer Anfang ist wie der erste Morgen im Garten Eden. Diese Unschuld habe ich verloren. An ihre Stelle ist die Erinnerung getreten.
    Gestern um Mitternacht sind Carol und ich endlich mit Sofia zum College rüber geschlichen. Es war dunkel, wir stolperten über Wurzeln und Steine. Chris wartete auf uns wie verabredet, und die beiden zogen davon. Es war so dunkel, dass ich ihn nicht richtig erkennen konnte. Wir hatten alle Schlafsäcke dabei. Carol und ich legten uns unter eine Trauerweide. Bevor wir einschliefen, riss Carol eine Menge schmutziger Witze über Sofia und Sex. »Sie liebte Tiere und war auch gut zu Vögeln«, und wir mussten furchtbar lachen. Ich dachte dauernd, jetzt verändert sich ihr ganzes Leben, und wir lachen nur darüber.
    Als wir heute am frühen Morgen zur Schule zurückgingen, fragte ich Sofia, wie es gewesen sei.
    »Nicht das, was ich erwartet hatte.«
    »Wie meinst du das?«
    »na ja, irgendwie war es gar nichts. Ich fühle mich genau wie vorher, nur habe ich jetzt Angst, schwanger zu werden. Und ich weiß genau, dass ich ihn nicht liebe.«
    »Hat es denn wenigstens Spaß gemacht?«, wollte Carol wissen.
    »Eigentlich nicht. Vielleicht, wenn ich mich daran gewöhnt habe.«
    Eine Weile sagten wir gar nichts.
    »Ich bin froh, dass ich es hinter mir habe«, meinte Sofia. »Ich bin froh, dass es für uns beide das erste Mal war.«
    Vermutlich sind Lucy und Ernessa jetzt die einzigen Jungfrauen auf unserem Flur, außer mir natürlich.
    Als wir in Englisch Iphigenie in Aulis lasen, konnte niemand verstehen, weshalb die Griechen den Göttern schöne Jungfrauen opferten. Mitten in der Diskussion rief Kiki: »Die Mädchen müssen förmlich losgestürmt sein, um ihre Jungfräulichkeit zu verlieren, wenn wieder Opfer gefordert wurden.« Alle lachten, sogar Miss Russell. Aber Sofia stürmte auch los, um ihre Jungfräulichkeit zu verlieren, als hätte sie vor etwas Angst.
    Ist es wert, sein Leben zu opfern, um rein zu bleiben?
    Ich schreibe später weiter.
    Vielleicht schreibe ich auch nie mehr.
     
Nach dem Abendessen
    Ich bin bereit. Hier kommt es. Ich tue das für Sofia.
    Gestern Nacht bin ich sofort eingeschlafen. Ich war müde und wollte ihnen nicht zuhören. Sie waren nicht weit entfernt, gleich auf der Anhöhe hinter dem Baum. Ein paar Stunden später wachte ich auf. Es war kalt und feucht geworden. Ich bibberte. Überall war Nebel, der vom Boden aufstieg und davontrieb. Ich fragte mich, wie wir zur Schule zurückfinden sollten. Ich bin mir sicher, dass ich wach war, inzwischen war mir auch viel zu kalt zum Schlafen. Ich wollte Carol wecken und ihr sagen, dass ich in die Schule zurückgehen würde, doch sie schlief tief und fest.
    Ich muss eingedöst sein, obwohl ich mich aufgesetzt hatte. Ich stand neben Sofia und Chris, aber sie konnten mich im Nebel nicht entdecken. Viel zu sehen gab

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