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Die Sehnsucht der Konkubine

Die Sehnsucht der Konkubine

Titel: Die Sehnsucht der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Furnivall
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sind es diese Tabletten, die du brauchst?«
    Der Mann gab keine Antwort, sondern lag nur schwer wie ein Sack über Alexejs Knien, die Augen geschlossen. Sein Atem ging nur noch flach. Doch da war nach wie vor die Hand, die sich um Alexejs Arm krallte – alles, was darauf schließen ließ, dass der Mann noch am Leben war. Als wären seine Arme stärker als der Griff des Todes. Er legte die Wange an den Pelz, spürte, wie seine Wärme seine Haut durchdrang und sein Fleisch wärmte, und lauschte den kurzen Atemzügen des Mannes, der nach Luft rang. Er versuchte, seinen Atemrhythmus ihm anzupassen, um das Herz am Schlagen zu halten. Und er wartete.
    »Freund?« Das Wort war nur ein Flüstern. Kaum mehr als das.
    »Dann bist du also doch nicht tot?« Alexej lächelte.
    »Noch nicht.«
    »Kannst du dich bewegen?«
    »Bald.«
    »Dann warten wir.«
    Ein Murmeln.
    »Was hast du gesagt? Ich konnte es nicht hören.« Alexej beugte sich näher zu ihm.
    »Tabletten.«
    »Ich habe dir vorhin eine gegeben. Aus der Pillendose.«
    Der schwere Kopf nickte schwach. »Spassibo.«
    »Ist es dein Herz?«
    »Da.«
    »Du musst aus der Kälte raus. Wenn du bereit bist, kriege ich dich auf die Beine.«
    »Bald.« Die Stimme war mal schwächer, mal stärker. »Noch nicht.«
    »Ich wohne im Kalinin, aber das ist zu weit weg. Was du brauchst, ist ein Krankenhaus, und zwar schnell.«
    »Njet.«
    Die Hand an seinem Ärmel packte fester zu, die Finger zitterten.
    »Mach dir keine Sorgen, mein Freund«, sagte Alexej. »Beruhige dich. Wir werden hier zusammen sitzen, so lange du willst, und auf die Morgensonne warten, die uns wieder die Glieder wärmt.«
    Der Mann lächelte, nur ein winziges Zucken der Mundwinkel, doch immerhin ein Lächeln. Zum ersten Mal glaubte Alexej daran, dass er überleben würde. Er spürte, wie sich der Körper des Mannes entspannte, wie sich sein Atmen beruhigte, und überlegte gerade, ob er sich vielleicht davonschleichen sollte, um irgendwo an der Straße, wo in einem Haus noch Licht brannte, an die Tür zu klopfen und um Hilfe zu bitten, als sich ein Auto näherte. Es fuhr ganz langsam, ja so langsam, als wäre der Fahrer wegen des Eises auf der Hut.
    »Genosse, da kommt ein Auto. Ich werde es anhalten, und dann …«
    »Lass mich nicht los, mein Freund.«
    »Ich bin nur einen Moment weg, das verspreche ich.«
    »Wenn du mich loslässt, falle ich in die Grube.«
    »Was für eine Grube?«
    »Dieses schwarze Loch da. Da zu meinen Füßen.«
    »Freund, da ist kein Loch.«
    »Ich kann es sehen.«
    » Njet . Schau mich an.«
    Der Mann wandte den Kopf. Seine Augen waren nur schmale Schlitze in dem fleischigen Gesicht.
    »Da ist kein Loch«, wiederholte Alexej.
    Die Finger drückten zu. »Schwöre es.«
    »Ich schwöre es.«
    Das Motorengeräusch erstarb. Alexej blickte auf. Am Straßenrand gegenüber waren nicht einer, sondern zwei schwarze Autos mit länglichen Kühlerhauben vorgefahren. Türen knallten. Sechs Männer sprangen heraus und liefen über die Straße auf sie zu. Ohne ein Wort legte Alexej seinem neuen Kumpel den Arm um die Schulter, bereit, ihn auf die Beine zu stellen, ob er nun wollte oder nicht, während seine andere Hand unter den Mantel zu dem Pistolenhalfter glitt, das direkt neben seiner Brust hing, darin die Waffe, die Alexej vorher dort erspürt hatte. Rasch entsicherte er sie und wappnete sich für das, was kommen würde.
    »Pakhan!«
    Ein junger Mann kam näher, und als er die Waffe sah, lag wie durch Zauber plötzlich ein Trommelrevolver in seiner Faust. Er hatte dickes, schwarzes Haar und den gleichen Schnurrbart wie der ältere Mann.
    »Anatoly«, murmelte der Kranke, ließ Alexej los und streckte die Hand nach ihm aus. »Nicht, Anatoly. Dieser Mann hat mir geholfen.«
    »Dein Freund hier ist auf der Straße zusammengebrochen.« Alexej ließ die Waffe sinken.
    Mehrere schwarz gekleidete Männer umschwärmten sie, durchtrainierte Gestalten, deren Blicke nicht gerade zu Vertraulichkeiten herausforderten. Sie nahmen den Mann zwischen sich und hatten ihn bereits in eines der Autos verfrachtet, bevor Alexej sich verabschieden konnte. Er stand am vereisten Straßenrand und sah zu, wie sie in die Dunkelheit davonglitten. Der Anblick machte ihn irgendwie traurig, was ihn überraschte.
    »Gute Besserung, Genosse«, sagte Alexej, schob sich die Pistole in den Hosenbund und machte sich auf den Heimweg zu den Flöhen.

ZWEIUNDDREISSIG

    G eh ins Bett, Lydia.« Es war Elenas Stimme hinter dem Vorhang.
    »Noch

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