Die Sehnsucht der Konkubine
teilen, dem Welpen auf seinen Armen, der es blitzschnell hinunterschlang und dem Jungen dann das Kinn abschleckte, gierig nach mehr.
»Wie heißt du?«, fragte Lydia.
»Was geht dich das an?«
»Nichts. Ist einfacher, das ist alles. Ich heiße Lydia.«
»Hau ab, Lydia.«
Sie drehte sich auf dem Absatz um und begann wegzumarschieren, rief ihm aber über die Schulter hinweg noch zu: »Dann willst du also wirklich weder frühstücken noch ein bisschen Geld verdienen? Na, dann hab ich dich wohl falsch eingeschätzt, du blödes Rattenhirn.«
Einen Moment lang dachte sie, sie hätte es verdorben. Doch plötzlich hörte sie Schritte hinter sich, der Junge überholte sie und lief vor ihr her, rückwärts, mit dem Gesicht zu ihr, während sie weiterging. Das Mondlicht schimmerte wie Wasser auf seinem flachsblonden Haar, was ihn ein wenig wie einen Elfen aussehen ließ. Sein spitzes Kinn und die blauen Augen, die wie Spiegel schimmerten, taten ein Übriges.
»Frühstück?«, fragte er.
»Da.«
»Geld?«
»Da.«
»Wie viel?«
»Das verhandeln wir über einer Schüssel Grütze.«
»Für Misty auch.«
»Natürlich.«
»Was muss ich dafür machen?«
»Eine Nachricht übermitteln.«
Der Junge lachte. Es war ein glockenhelles, fröhliches Lachen, das Lydia Hoffnung machte.
Der Junge hieß Edik. Er hockte auf Lydias Bettende und löffelte sich wortlos Hafergrütze in den Mund, während zu seinen Füßen der Welpe vergeblich in seiner längst geleerten Schüssel schnupperte. Das vollgefressene Bäuchlein stand von seinen Rippen ab wie eine Trommel. Lydia saß auf dem Stuhl und merkte, dass Elena und Liew bereits wach waren, den Vorhang zurückgeschoben hatten und Tee schlürften. Auch wenn sie ihre Gesichter hinter dem Dampf über den Tassen nicht erkennen konnte, wusste sie, dass die beiden den Jungen misstrauisch betrachteten.
Lydia bückte sich, nahm den kleinen Hund auf den Arm und setzte ihn sich auf den Schoß. Sofort kam eine winzige rosa Zunge hervor, leckte sie am Kinn und brachte sie damit zum Lachen. Sie streichelte dem kleinen Kerl über das graue Köpfchen. Der Welpe hatte gelblich braune Augen und Pfoten, die ihm noch zwei Nummern zu groß waren.
»Wo hast du sie gefunden?«, fragte sie. »Misty, meine ich.«
»In einem Sack«, antwortete der Junge. »Ein Mann hat versucht, sie im Fluss zu ertränken.«
»Arme Misty«, sagte Lydia lächelnd und knuddelte die dünnen Ohren. »Und glückliche Misty.«
»Lydia?«
»Ja?«
»Tut mir leid, dass ich dich gebissen habe.«
»Solange du es nicht wieder machst.«
»Ich hatte Angst, du würdest mich nicht laufen lassen.«
»Ich weiß. Vergiss es.«
Der Junge hielt den Blick eine Sekunde auf sie gerichtet, bevor er ihn wieder dem Löffel zuwandte. An Liew schaute er immer vorbei. Gerade dachte Lydia, dass das alles hier überraschend gut verlief, als sich Liew urplötzlich aufrappelte und zu der Stelle schlenderte, an der Edik saß. Er packte eine Strähne des flachsblonden Haares. Der Junge jaulte auf und ließ den Löffel fallen.
»Schmeiß diesen kleinen Gauner raus, Lydia. Und seinen Köter mit ihm.«
»Nein, Liew. Lass den Jungen in Ruhe. Er wird mir helfen.«
»Lydia.« Diesmal war es Elena. »Schau ihn dir doch an. Er ist schmutzig. Er ist ein Straßenjunge und wimmelt bestimmt nur so vor Läusen und Flöhen. Der Hund ebenso. Um Himmels willen, mach, was Liew dir sagt.«
»Raus!«, brüllte Liew den Jungen an.
Der Hund sprang auf den Fuß des Kosaken und begann, an den nackten Zehen zu knabbern. Die Pranke des Mannes ließ kurz von dem Jungen ab und schnappte sich stattdessen das Tier, hob es hoch in die Luft, als wollte er ihn quer durchs Zimmer schleudern.
»Nein!«, rief Lydia, nahm ihm den Hund ab und versetzte der riesigen Hand des Kosaken einen Klaps. »Du bist herzlos.«
Liews gesundes Auge starrte sie mit einer Mischung aus Überraschung und Gekränktheit an. »Das ist doch alles Abschaum«, brummte er und ging türenschlagend hinaus.
Elena, der Junge und der Hund schauten zu Lydia.
»Verdammt!«, fauchte sie. Sie packte den Jungen und den Hund am Schlafittchen und zerrte sie zu der Wasserpumpe unten im Hof.
»Es ist eine Ehre, Chang«, hob Hu Biao hervor.
Er stieg an Changs Seite die Treppe des Hotels Triumfal hinab. Der Rest der Delegation folgte ihnen, mit Kuan als Nachhut. Seit der letzten Nacht hatte sie nicht mehr mit Chang gesprochen.
»Es ist eine große Ehre, Hu Biao«, korrigierte Chang seinen jungen Assistenten, so
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