Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Sehnsucht der Konkubine

Die Sehnsucht der Konkubine

Titel: Die Sehnsucht der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Furnivall
Vom Netzwerk:
Ziegelmauer saß, die das ganze Gelände umgab. Nahe genug, um sie im Auge zu behalten, jedoch nicht in Hörweite.
    »Elkin, denk doch mal drüber nach, was wir hier machen«, murmelte Jens. »Überleg doch mal, was für ein Ungeheuer wir da erschaffen.«
    »Alles, was ich denke, ist, dass ich am Schluss freikomme. Das haben sie uns versprochen. Unsere Freiheit.«
    »Du bist ein Idiot, Elkin.«
    »Was, zum Henker, meinst du damit?«
    »Jetzt setz doch mal deine grauen Zellen in Bewegung. Was wir hier machen, ist streng geheim. Glaubst du eigentlich allen Ernstes, wenn wir unsere Arbeit vollendet haben, machen die einfach die Tür auf und lassen uns raus?«
    »Ja!«
    »Wie gesagt, du bist ein Idiot.«
    Elkin sprang auf und starrte finster auf Jens hinab, der einfach sitzen blieb, weil er die Aufmerksamkeit des Wachsoldaten nicht auf sie lenken wollte.
    »Friis, ich hab neun Jahre in sibirischen Arbeitslagern verbracht, darunter drei in der Goldmine von Kolyma. Ich kann mich verdammt noch mal glücklich schätzen, überhaupt noch am Leben zu sein. Und ich werde diese eine Chance, ein freier Bürger der Sowjetunion zu werden und zu meiner Familie zurückzukehren, nicht aufs Spiel setzen, bloß weil du so ein verdrehtes Ehrgefühl hast und meinst, andere beschützen zu müssen.«
    »Wir alle sind froh, noch am Leben zu sein. Und jeder von uns möchte seine Freiheit.«
    Elkin beugte sich tief über ihn, so dass sein vernarbtes Gesicht sich nur wenige Zentimeter entfernt von Jens befand. Heftig flüsterte er: »Dann mach du uns nicht alles kaputt, indem du weiter für Verzögerungen sorgst.« Er drehte sich auf dem Absatz um und schritt zurück in Richtung Hangar. Langsam verschwand seine Gestalt im Dunst.
    Jens rührte sich nicht. Er ließ seine nur halb gerauchte Zigarette in das nasse Gras fallen und holte tief Luft, um gegen die Schuldgefühle anzukämpfen, die ihn zu übermannen drohten. An dieses Gefühl der Niedergeschlagenheit war er gewöhnt. Oft kam es und blieb ihm so lange auf den Fersen, bis er sich so sehr an seinen üblen Geruch gewöhnt hatte, als wäre es sein eigener. Jetzt jedoch besaß er eine Waffe dagegen, ein helles Licht, das er bei Bedarf einschalten konnte, mit dem er in jene stumpfen, leblosen Augen hineinleuchten und die Bestie zurück in die Dunkelheit verbannen konnte, woher sie kam. Dieses Licht war das Wissen, dass seine Tochter am Leben war.
    Er schloss die Augen zu und beschwor den Anblick von Lydia in sich herauf. Das Bild eines elfengleichen Wesens, das tanzte. Er versuchte sich vorzustellen, wie sie jetzt wohl aussehen würde, ein junges, siebzehnjähriges Mädchen mit flammenrotem Haar und klaren, bernsteinfarbenen Augen, die einen unverwandt anschauten. Ein Gesicht, das hinter einem scheuen, neugierigen Lächeln verbarg, was wirklich in ihm vorging. Doch er schaffte es nicht. Jenes siebzehnjährige Wesen glitt ihm immer wieder in den Dunst davon, wie zuvor Elkin, und an seine Stelle trat ein lachendes Kind, das den Kopf schwungvoll in den Nacken warf, wenn es einen Raum betrat, das seine kleine Stirn konzentriert in Falten legte, wenn es seinem Vater half, einen Nagel in ein Brett zu schlagen, oder wenn es einen perfekten Neunzig-Grad-Winkel zeichnete. Ein herzförmiges Gesicht, das schelmisch zu ihm emporblickte, mit leuchtenden Augen, und den Mund zu einem breiten Grinsen verzog, wenn er ihr hinterher anerkennend unter das Kinn fasste und sagte: »Gut gemacht, malyschka .«
    »Ich bin froh, dass du etwas gefunden hast, das dich glücklich macht.«
    Als Jens die Augen öffnete, stand Olga vor ihm. Er mochte ihre schüchterne Art und verspürte plötzlich den überwältigenden Drang, sie an der Hand zu nehmen und in die Freiheit davonzugehen. Bloß dass das Gelände ebenso wie der Hangar von einer zehn Meter hohen Mauer umgeben waren, die von Rollen mörderischen Stacheldrahts gekrönt wurden, und dass Wachen rund um die Uhr um das Gelände patrouillierten.
    Deshalb sagte er stattdessen, so leise, dass nur sie es hören konnte: »Jemand sucht nach mir.«
    »Wer?«
    »Meine Tochter.«
    Olgas taubenblaue Augen wurden groß, Augen, denen auch die geringste Gefühlsregung von ihm nicht entging. »Ich wusste gar nicht, dass du überhaupt eine Tochter hast.«
    Da war etwas an ihrer Stimme, ein Bedauern, das direkt unter der Oberfläche zu spüren war, doch er war zu sehr mit den Bildern in seinem Kopf beschäftigt, um es zu bemerken.
    »Ich dachte, sie sei tot«, sagte er.
    »Was ist

Weitere Kostenlose Bücher