Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Sehnsucht der Konkubine

Die Sehnsucht der Konkubine

Titel: Die Sehnsucht der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Furnivall
Vom Netzwerk:
. Erinnerst du dich nicht?«
    Dann begriff er endlich, und er verfluchte sein ausgehungertes Gehirn dafür, dass es so schleppend arbeitete. Die Schnurrbärte. Natürlich. Genau wie der Mann, den sie pakhan nannten. Schnurrbärte mit nach unten gezwirbelten Spitzen.
    »Natürlich. Sagt mir, wie geht es ihm heute?«
    »Besser.«
    »Das freut mich. Bitte überbringt ihm meine allerbesten Wünsche für seine Genesung.«
    »Er möchte dich sehen.«
    »Jetzt?«
    »Jetzt.« Der Mann hielt inne und fügte zögernd hinzu: »Wenn es passt. Er fragt, ob du Zeit hast, mit ihm Brot zu essen.«
    Alexej lachte vor Erleichterung, ein gutes, starkes Lachen aus dem Bauch heraus, bei dem den dreien offenbar unbehaglich wurde.
    »Da« , sagte er. »Sagt ihm, ich komme.«
    Brot und Salz.
    Alexej nahm das Stück Schwarzbrot, mit dem man ihn willkommen geheißen hatte, als er die Wohnung betrat, und tauchte es in ein Salzfass. In Russland bedeuteten Brot und Salz mehr als einfach nur das: Sie standen für Gastlichkeit. Sie waren ein Willkommensgruß. Von Brot und Salz konnte man leben. Neben ihnen auf dem Tablett stand ein kurzes Glas, das bis zum Rand mit Wodka gefüllt war. Er nahm es, leerte es in einem Zug und spürte, wie der Alkohol die Spinnweben in seinem Magen wegbrannte.
    Sogleich kam auch sein Gehirn in Schwung, und er schaute sich mit Interesse um. Die Wohnung verband auf seltsame Weise Altes und Neues. An den Wänden hingen wuchtige Ölschinken in fein geschnitzten Rahmen, alles Porträts von verschiedenen Männern. Aus jedem dieser Gesichter blickten den Betrachter ein Paar scharfe, kritische Augen an. Familienporträts? Vielleicht. Einen Moment lang dachte Alexej an die strengen Konterfeis seiner eigenen Vorfahren zurück, die in ihrer Villa in St. Petersburg im Treppenhaus gehangen und ihn als Kind so verängstigt hatten. Wenigstens sahen einige von denen hier so aus, als wüssten sie, wie man lacht. Die Möbel waren im Kontrast dazu neu und zweckmäßig, allesamt aus schlichtem Kiefernholz gefertigt, das so gar nicht zu den Bildern passen wollte. Alles war sauber, und es gab auch keinen Trennvorhang in der Mitte des großen Wohnzimmers, das den Raum in verschiedene Wohnbereiche aufteilte.
    »Hier entlang, poschaluista .«
    Alexej folgte dem Stämmigsten der drei einen Flur entlang und zu einer schweren Tür, die mit ihrer antiken Messingklinke so aussah, als stamme sie aus irgendeiner Kirche. Der Mann klopfte vorsichtig.
    »Da?«
    » Pakhan , ich habe hier den Genossen von gestern Nacht.«
    »Dann kommt rein, verdammt noch mal.«
    Sie betraten den Raum eines Mannes, der offenbar einer Leidenschaft frönte. Obwohl die Vorhänge halb geschlossen waren, lag ein Streifen Sonnenlicht matt und staubig in der Luft und erhellte das, was in dem Raum zu sehen war. Überall schienen Flügel zu flattern, Federn leuchteten scharlachrot, Augen schimmerten maisgelb. Das ganze Zimmer war voller Vögel. Alexej blinzelte, doch die Vögel bewegten sich nicht. Sie waren alle ausgestopft. Herrliche Herrscher der Lüfte waren unter Glasstürzen gefangen und dazu verdammt, auf Moosbetten zu posieren, bis ihre Federn schwarz und zu Staub wurden. Auf einmal sah Alexej seinen Vater, Jens Friis, vor sich, gefangen, in Ketten, weggesperrt für so viele Jahre, einen Mann, dem man grausam die Flügel gestutzt hatte.
    »Willkommen, mein Freund.«
    Es war kaum mehr als ein tiefes Grollen gewesen und kam von einem breiten Himmelbett mit maulbeerroten Volants und riesigen weißen Polsterkissen, die aufgetürmt waren wie Schneeverwehungen. Mittendrin, tief eingesunken, lag das bleiche, aufgedunsene Gesicht von gestern Nacht.
    »Guten Morgen, Genosse«, begrüßte Alexej ihn gut gelaunt. »Ich hoffe, du fühlst dich besser.«
    »Ich fühle mich, als hätte mich ein verdammtes Kamel getreten«, erwiderte sein Gastgeber und verzog das Gesicht, was seinen Schnurrbart zum Beben brachte, als wäre er lebendig.
    »Warst du bei einem Arzt?«
    » Pakhan hat seine üblichen Tabletten«, mischte sich der junge Mann ein, der neben Alexej stand. »Aber er ist zu halsstarrig, uns den Arzt rufen zu lassen.«
    »Geh, Igor. Du nervst mich.« Das sagte der Mann jedoch mit einem liebevollen Lächeln, das seine Worte Lügen strafte.
    » Pakhan , ich glaube nicht …«
    »Geh.«
    Igor schaute zu Alexej.
    »Mach dir keine Sorgen«, sagte der pakhan . »Dieser Mann hier ist nicht gekommen, um mir etwas anzutun. Stimmt’s, Genosse?«
    » Njet . Natürlich nicht.«
    »Gut. Dann

Weitere Kostenlose Bücher