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Die Sehnsucht der Konkubine

Die Sehnsucht der Konkubine

Titel: Die Sehnsucht der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Furnivall
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lass uns jetzt allein, Igor.«
    Das dickliche Gesicht legte sich in Sorgenfalten, und Alexej hatte das Gefühl, der junge Mann sei nicht allzu begeistert davon, wie ein Schuljunge weggeschickt zu werden. Dennoch ging er ohne weitere Einwände und machte die Tür nur etwas heftiger zu, als es nötig war.
    »Komm hier herüber, mein Freund.«
    Alexej näherte sich dem Bett. Gegenüber einem Fremden empfand er es als etwas seltsame Geste, dass der Mann ihn an seinem Bett empfing, und auf einmal nahm er den Geruch der Bettlaken wahr und sah den dicken Strang blauer Venen am unteren Ende des alten Halses. Bei genauerem Hinsehen zeigte sich, dass der Mann deutlich hinfälliger zu sein schien, als seine kräftige Stimme es erahnen ließ. Graue Haarsträhnen waren streng aus dem Gesicht gekämmt, das, trotz seiner Fleischigkeit, durch all die Falten in sich zusammengesunken wirkte.
    »Ich liege nicht im Sterben«, verkündete der Kranke trotzig.
    »Das freut mich zu hören. Doch es sind deine Freunde auf der anderen Seite dieser Tür da, die du überzeugen musst, nicht mich. Die schnitzen bereits an deinem Sarg.«
    Der Mann lachte so herzlich, dass er sich mit der Hand über die Brust streichen musste, als täte ihm unter dem Nachthemd etwas weh. »Wie heißt du, Genosse?«
    »Alexej Serow.«
    »Nun, Alexej Serow, für mich siehst du eigentlich nicht wie ein Schutzengel aus, aber ich danke Gott dafür, dass er dich gestern auf diese Straße da geschickt hat, vor allem, nachdem ich meinen Begleitern für den Abend freigegeben hatte.« Er verzog den Mund zu einer Grimasse. »Diese Erfahrung wird mich lehren, um Bordelle künftig einen großen Bogen zu machen.«
    Alexej setzte sich auf den Stuhl neben dem Bett und lächelte. »Unsere Pfade haben sich gekreuzt, mein Freund. Ich war dort zur rechten Zeit. Jetzt bist du bei deinen Leuten in Sicherheit, also werde bald wieder gesund.«
    »Das habe ich auch vor.« Er streckte Alexej die Hand hin. »So nimm den besonderen Dank von Maxim Woschtschinski entgegen.«
    Alexej schüttelte die Hand. Maxims Händedruck fühlte sich erstaunlich fest an, und er empfand Respekt für die Willenskraft, die offenbar dahintersteckte. In diesem Moment fiel sein Blick auf eine Stelle am Unterarm des Mannes, wo sich das Nachthemd nach oben geschoben hatte. Es war ein flüchtiger Moment, das war alles, bevor ihm Woschtschinski die Hand wieder entzog, doch er reichte, um Alexej deutlich zu machen, dass das ein Mann war, dem man besser aus dem Wege ging.
    Woschtschinskis Augen mit den schweren Lidern unterzogen Alexejs Äußeres einer kurzen Prüfung. »Die meisten Menschen, die so schmutzig und zerlumpt sind wie du, Genosse Serow, wenn ich das sagen darf, hätten sich gestern wahrscheinlich einfach meine Uhr und meine Brieftasche geschnappt und mich dort auf dem Eis verrecken lassen.«
    Alexej stand auf. »Nicht jeder ist so«, sagte er mit einer höflichen Verbeugung. »Aber du musst jetzt ruhen. Du darfst dich nicht so anstrengen. Es freut mich zu sehen, dass du auf dem Wege der Besserung bist. Genosse Woschtschinski. Ich wünsche dir einen guten Tag.«
    Er ging in Richtung Tür, weil er es kaum erwarten konnte, diesen Raum zu verlassen, in dem das Winterlicht auf Hunderten von glasig starrenden Augen glitzerte. Das flache Atemgeräusch des Mannes folgte ihm.
    »Warte.«
    Alexej blieb stehen.
    »Genosse Serow, hast du es wirklich so eilig, irgendwohin zu gehen?«
    »Nichts im Leben steht still, mein Freund.«
    Der graue Kopf nickte erneut und rollte ein wenig hin und her, als wäre er zu schwer für den Hals. »Ich weiß.« Er lächelte, ein kurzes, nachsichtiges Lächeln auf den Lippen. »Besonders, wenn man jung ist.« Traurigkeit raschelte wie trockene Blätter in seinen Worten, und die Finger der einen Hand öffneten und streckten sich auf dem Laken, eine unbewusste Bewegung, als wollte er nach Alexej greifen. Vielleicht auch nach dem Leben. »Aber ich bin noch nicht bereit, dich gehen zu lassen.«
    »Du hast deine Freunde.«
    »Ja, das stimmt. Es sind gute Freunde. Ich kann mich nicht beschweren. Sie tun, was ich sage.«
    Mit einem leisen Klicken öffnete Alexej die Tür. Draußen standen die drei Männer, die alle einen Schritt vorwärtsmachten, als sie ihn erblickten. Offenbar wollten sie wissen, was dort drinnen besprochen worden war, doch Alexej hatte in diesem Moment, in dem er sehr wohl einfach hätte gehen können, zurück zu den Flöhen und mit der Aussicht, seinen Vater nie

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