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Die Sehnsucht der Konkubine

Die Sehnsucht der Konkubine

Titel: Die Sehnsucht der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Furnivall
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finden, Bruder. Diesmal ohne getrennt zu werden.«
    Sie lachte, als er sich bei ihr einhängte. Es schenkte ihm Hoffnung.
    Als er sich ins Bett rollte, flackerte nur noch ein Gedanke in ihm auf: dass er ihr nichts von den wory w sakone gesagt hatte. Doch noch bevor er den Mund aufmachen konnte, war das Flackern erloschen, und er wusste nicht mehr, was er überhaupt gedacht hatte. Seine Lider klappten nach unten, als hingen bleierne Gewichte daran. In seinem Kopf wurde es schwarz.
    Er schlief. Seine Träume waren so lebhaft, dass es schien, als wäre er monatelang tot für die restliche Welt gewesen, aber jedes Mal, wenn er die Lider einen Spalt breit öffnete, saß Lydia an seinem Bett, immer in der gleichen braunen Strickjacke. Offenbar war es nach wie vor derselbe Tag. An einem Punkt hörte er erhobene Stimmen, doch was sie schrien, interessierte ihn nicht, und so ließ er sich wieder in die Finsternis treiben, unsicher, ob die Geräusche nicht bloß in seinem Kopf waren. Dann fiel eine Tür ins Schloss. Das war real.
    Er träumte, dass sich die vibrierende Nadel eines Tätowierers direkt durch sein Brustbein bohrte, dass sie seine Lungen durchdrang und er begann, in seinem eigenen Blut zu ertrinken. Er musste kräftig husten. Eine Hand strich ihm über die Stirn, und er schlief wieder ein. Doch da war etwas, das er unbedingt sagen musste. Es steckte wie lauter kleine Dornen in seinem Hirn.
    Lydia saß am Bett und betrachtete ihren Bruder. Er hatte stundenlang geschlafen, obwohl man es kaum Schlaf nennen konnte. Mehr sah es so aus, als würde er mit geschlossenen Augen bei einem Rennen mitmachen. Sein Körper lag niemals still, die Augenlider zuckten, seine Beine bewegten sich unruhig unter dem Laken, er ruderte mit den Armen. Wieder und wieder biss er die Zähne aufeinander, gab dabei Töne von sich, die an das Knurren eines Hundes erinnerten. Immer wieder legte sie eine Hand an seine Wange und flüsterte ihm etwas ins Ohr, um den Dämon zu verjagen, der sich da irgendwo in seinem Kopf verschanzt hatte. Als die Tür aufging und Liew Popkow in den Raum torkelte, wusste sie, dass er alles andere als begeistert sein würde.
    »Hallo, Liew«, sagte sie und lächelte zu ihm hoch. »Schau mal, wer hier ist.«
    » Dermo! Scheiße!«
    »Er wartete auf der Treppe zur Kathedrale. Ich hab dir ja gesagt, dass er irgendwann eines Tages da sein würde.«
    »Scheiße!«, wiederholte er, ging zu dem Bett hinüber und beäugte Alexej.
    »Lass ihn schlafen«, bat sie ihn.
    »Der ist ja bloß noch Haut und Knochen. Und stinken tut er wie ein Schwein.«
    »Ist doch egal.«
    »Ich war mir sicher, der Kerl liegt irgendwo mausetot in Felanka.«
    Lydia sah erschrocken zu ihm auf. »Das hast du nie gesagt.«
    Er grunzte.
    »Ich hab gesagt, dass er hierbleiben kann.«
    Popkow gab ein empörtes Schnauben von sich. »Nein, kann er nicht.«
    »Verdammt noch mal, ich sage, er kann.«
    »Njet.«
    »Was erwartest du denn eigentlich von mir? Soll ich meinen Bruder vor die Tür setzen?«
    »Ja. Er kann hier nicht bleiben.«
    »Warum nicht?«
    »Er hat keine Aufenthaltsgenehmigung und wird uns die Polizei auf den Hals hetzen.«
    Sie zwang sich, den Kloß in ihrem Hals hinunterzuschlucken. »Wir können ihm eine auf dem Schwarzmarkt besorgen.«
    Ganz langsam drehte Popkow sein Gesicht zu ihr und starrte Lydia bitterböse an. »Dafür würdest du das letzte Geld verwenden, das wir besitzen? Das brauchen wir für Jens Friis. Und du würdest es für dieses nutzlose Stück Scheiße verwenden?«
    »Ja.«
    »Ha! Dann bist du nicht die Tochter deines Vaters.«
    Lydia sprang auf. »Das nimmst du auf der Stelle zurück, du blöder Kosak!«
    Er stand reglos vor ihr, und sie wusste, dass er überhaupt nichts zurücknehmen würde. Sie schlug mit der flachen Hand gegen seine Brust, und er packte sie am Handgelenk und hielt sie so lange fest, bis sie damit aufhörte. Sein zernarbtes Gesicht beugte sich über sie, und sie sah, wie die Furchen darin sich vertieften.
    »Lydia, meine kleine Freundin, du musst entscheiden, was du möchtest. Benutz mal deinen hübschen Schädel. Du bist hierhergekommen, um wen zu finden?«
    Er ließ ihr Handgelenk los, stürmte ohne einen weiteren Blick zu Alexej aus dem Zimmer und knallte die Tür hinter sich zu.
    Lydia setzte sich wieder auf den Stuhl. Sie zwang sich dazu, mit den Worten zu Rande zu kommen, die ihr Liew an den Kopf geworfen hatte, indem sie sie drehte und wendete, so wie ein Töpfer an seinem Rad dreht. Du bist

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