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Die Sehnsucht der Konkubine

Die Sehnsucht der Konkubine

Titel: Die Sehnsucht der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Furnivall
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aussah, als wollte er sie mitsamt dem weißen Handschuh festhalten, und seine Augen huschten ständig zwischen Lydia und Alexej hin und her. Das Hotel war eines der Etablissements, an deren Fenstern sich Lydia als Kind immer die Nase plattgedrückt hatte, voller Sehnsucht, einmal dort eingelassen zu werden und inmitten all der weißen Leinentischwäsche und des feinen Porzellans sitzen zu können, auf Teppichen, die sich unter ihren Füßen anfühlten wie flauschige Katzenfelle. Doch jetzt, da sie hier saß, war sie sich nicht mehr sicher, ob es ihr gefiel. Sie mochte ebenso wenig die Tatsache, dass die Kellner ihrem Blick immer auswichen, wie das Gefühl, unter den Tischen rieche es nach modrigen Knochen.
    Das Gespräch war steif. Lydia bekümmerte das nicht besonders, doch Dmitri schien es zu amüsieren, und sie konnte sich denken, warum. Antonina und Alexej sprachen nur wenig, tranken ihren Kaffee und rauchten Zigaretten. Antonina war ganz in Schwarz gekleidet und benutzte beim Rauchen eine winzige Zigarettenspitze aus Ebenholz, die Lydia bewunderte. Es lag etwas in der Luft. Jeder wartete darauf, dass etwas passierte, aber niemand wusste so recht, was.
    »Hast du eine gute Verwendung für die Lebensmittel gefunden, die ich dir gebracht habe?«, fragte Dmitri und beäugte sie über den Rand seiner hauchdünnen Porzellantasse hinweg.
    »Dem Welpen hat der Schinken sehr gut geschmeckt.«
    Warum hatte sie das denn jetzt gesagt? Nur, um ihn zu ärgern.
    »Er war eigentlich für dich gedacht, Lydia.«
    Sie beugte sich vor, die Ellbogen auf das blütenweiße Tischtuch gestützt, während sie seinem Blick begegnete. Sie beschloss, noch einmal einen Versuch zu wagen.
    »Bitte, sag mir, Dmitri, hast du denn nun herausgefunden, wo Jens Friis festgehalten wird?«
    »Eins muss man dir lassen, meine Liebe. Du gibst nicht auf.«
    »Und?«
    »Und nichts, tut mir leid. Ich fürchte, ich weiß nichts.«
    Sie verzog das Gesicht. »Als Lügner bist du ein hoffnungsloser Fall.«
    Er warf den Kopf in den Nacken und brach in lautes Gelächter aus. »Jetzt hör dir dieses Mädchen an, Antonina. Sie hält mich für einen schlechten Lügner.«
    Seine Frau legte den Kopf schief und dachte einen Moment lang über das Gesagte nach. Dabei blickte sie so munter wie eine Amsel mit leuchtenden Äuglein. »Sie kennt dich eben nicht so gut wie ich.«
    Wieder lachte er. »Das Problem mit Frauen«, sagte er zu Alexej, »ist, dass sie denken, sie kennen einen besser als man sich selbst. Findest du nicht auch, Genosse Serow?«
    »Meiner Erfahrung nach«, sagte Alexej etwas steif, doch mit aller gebührenden Höflichkeit, »wissen sie gewöhnlich tatsächlich mehr, als wir denken.«
    Ein Schweigen legte sich kurz über den Tisch. Lydia spielte mit ihrem Löffel, klapperte mit seiner silbernen Kante gegen ihren Unterteller, um die Stille zu übertönen, und warf ihrem Bruder einen Blick zu. Seit sie am frühen Morgen im grauen Licht der Dämmerung in ihr Zimmer zurückgekehrt war, war er distanziert und einsilbig gewesen. Aus der Tatsache, dass er ihre Beziehung zu Chang missbilligte, weil er ihn als unwillkommene Ablenkung betrachtete, machte er kein Hehl. Nun, und sie missbilligte seine Missbilligung.
    »Dein Bruder scheint ein Frauenkenner zu sein«, sagte Dmitri neckend. »Stimmst du mir zu, Antonina?«
    Seine Frau wandte den Kopf und musterte lange die schweigende Gestalt von Alexej, der neben ihr saß. »Ich finde, er sieht müde aus«, murmelte sie sanft und lächelte zuerst Alexej und dann Dmitri an.
    »Wie lange hast du denn noch vor, in Moskau zu bleiben, Genosse Serow?«, fragte Malofejew.
    »So lange, wie mich meine Geschäfte hier festhalten.«
    Malofejew neigte den Kopf. »Falls ich irgendwie behilflich sein kann, zögere nicht zu fragen. Ich habe viele Kontakte in dieser Stadt.«
    »Ich auch«, erwiderte Alexej kurz angebunden. Unter dem Tisch trat ihm Lydia absichtlich auf die Zehe.
    »Das bezweifle ich keinen Moment«, sagte Malofejew, etwas kühler. Schweigend betrachtete er seinen Gast, bis seine Frau eine neue Zigarette in die Halterung gelegt hatte. »Ich biete nur meine Hilfe an. Falls du sie brauchen solltest«, fügte er hinzu.
    »So wie du meiner Schwester Hilfe angeboten hast. Ist das eine Angewohnheit von dir, Genosse? Fremden Hilfe anzubieten?«
    Tschort! , fluchte Lydia unhörbar vor sich hin. Sie warf einen Blick zu Antonina hinüber und sah sie lächeln, ein breites, fröhliches Lächeln. Ihre Augen blitzten amüsiert. Sie

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