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Die Sehnsucht der Konkubine

Die Sehnsucht der Konkubine

Titel: Die Sehnsucht der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Furnivall
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sah zehn Jahre jünger aus, und diesmal nestelte sie auch nicht mit den Fingernägeln an ihren weißen Handschuhen herum.
    »Lydia«, sagte sie, »findest du dieses Hotel hier nicht bezaubernd?« Sie wies auf die Kristalllüster und die Wasserlilien aus Seide, die in einem Brunnen voll duftenden Wassers in der Mitte des Raumes schwammen. »Es ist so zivilisiert.«
    »So zivilisiert«, wiederholte Lydia leise. Zorn pochte unter ihren Rippen wie eine feine Nadelspitze. Ruckartig fuhr ihr Kopf zu Dmitri hinüber. »Ganz anders als der Ort, an dem du vorher stationiert warst, stimmt’s, Genosse?«
    Er rührte sich nicht. Sie fragte sich, ob er überhaupt atmete, so still saß er. Es war Antonina, die fröhlich lachte und ihrem Mann mit der Zigarettenspitze auf den Arm tippte.
    »Was denkst du, mein Liebling? Ist Moskau denn nun zivilisierter als das Lager von Trowitsk? Oder weniger? Ich könnte für beides Argumente finden.«
    Ihr Mann beachtete sie gar nicht. So wie er auch Lydia nicht beachtete.
    »Mir scheint, Genosse Serow, für Bruder und Schwester ähnelt ihr euch nicht sehr.«
    »Und genau hier, Genosse, täuschst du dich. Lydia und ich ähneln uns sehr.«
    »Wirklich? In welcher Hinsicht?«
    »In der Art und Weise, wie wir die Welt sehen.«
    »Wie denn, unter einem Haufen Regeln und Regulierungen hervor wie jeder andere auch?«
    »Vielleicht. Aber trotzdem glauben wir, wir haben einen Einfluss auf das, was uns geschieht.«
    »Ach, verstehe. Der Kult des Individuums. Ganz gewiss haben doch aber Marx und Lenin und Stalin ganz deutlich festgestellt, dass es der Fortschritt des kollektiven Ganzen ist, auf den es ankommt, nicht auf die einzelnen Zahnräder. Die sind … verzichtbar.«
    Lydia und Antonina warfen sich Blicke zu.
    »Dmitri«, unterbrach Antonina ihren Ehemann und warf nervös ihr Haar in den Nacken. »Lass die Gäste ihren Kaffee in Ruhe genießen. Du bist zu provokant.«
    »Ich glaube, dein Mann hat Recht«, hob Alexej hervor. »Gewisse Zahnräder im großen Mechanismus sind verzichtbar. Es kommt einfach nur darauf an, die richtigen auszuwählen.« Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, das Gesicht wie versteinert.
    »Dmitri«, sagte Lydia rasch und sprang auf. Dabei stieß sie an ihre Tasse und verschüttete etwas Kaffee auf der blütenweißen Decke. »Komm doch bitte einen Moment mit. Ich möchte kurz mit dir sprechen.«
    Dmitri Malofejew und Lydia gingen auf die große Drehtür des Hotels zu, doch bevor sie dort anlangten, fiel Lydias Blick auf eine schwere Eichentür zur Linken, auf der KARTENZIMMER stand. Sie drückte sie auf, trat ein und hielt Dmitri die Tür auf, damit er mitkam.
    »Steht dir der Sinn nach einer Partie Poker?«, fragte er lächelnd.
    »Ich habe nichts gegen ein Spielchen einzuwenden, wenn du das meinst.«
    Der Raum wurde zu dieser frühen Morgenstunde nicht genutzt. Überall verteilt standen kleine, viereckige Tische, die mit grünem Billardtuch bezogen waren, und eine eindrucksvolle Schusterpalme schirmte den größten Teil des Lichts ab, das vom Fenster hereinfiel, weshalb die Luft einen seltsamen grünen Schimmer zu haben schien. Als befänden sie sich unter Wasser. Lydia wandte das Gesicht ihrem Begleiter zu. Sie stützte die Hände in die Hüften, um sie ruhig zu halten, und schlug einen ernsten Ton an.
    »Dmitri, hilf mir. Wir wissen beide, dass du das kannst. Bitte.«
    Weder lächelte noch lachte er, und diesmal hob er auch nicht spöttisch die Augenbraue. Stattdessen betrachtete er sie nur mit ernster Miene. »Was willst du?«
    »Dasselbe wie vorher. Ich will wissen, wo Jens Friis festgehalten wird.«
    Ganz langsam schüttelte er den Kopf. Sein Haar hatte in dem seltsamen Licht einen fast violetten Schimmer angenommen, und sie wusste, dass ihr eigener Schopf ähnlich aussehen musste. »Das ist nicht möglich, Lydia. Das habe ich dir bereits gesagt. Und hör jetzt bitte auf, mich danach zu fragen.«
    »Es ist möglich. Alles, was du tun musst, ist, es mir zu sagen. Keiner muss es wissen.«
    »Aber ich würde es wissen.«
    »Spielt das eine Rolle?«
    »Ja, ich finde schon.«
    Zwischen ihnen lag nur eine Entfernung von drei Schritten. Ganz langsam verringerte sie sie auf zwei. Ihr Mund war so trocken wie der grüne Filzbelag auf den Tischen.
    »Was könnte dich denn davon überzeugen, doch Ja zu sagen?«, flüsterte sie.
    Zu ihrem Erstaunen wurden seine Augen traurig, und er murmelte: »Ich bin es nicht wert, Lydia. Nimm deine schöne Ware mit und gib sie jemand anderem,

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