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Die Sehnsucht der Konkubine

Die Sehnsucht der Konkubine

Titel: Die Sehnsucht der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Furnivall
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Knochen seiner Schulter, der sich sanft in ihr Fleisch drückte, so angenehm, als wäre es ein Teil von ihr.
    »Chang An Lo«, sagte sie. Weil es Zeit war.
    Seine Lippen streiften träge ihren Schenkel, wie zur Antwort. »Was hast du denn ausgebrütet?«
    »Chang An Lo, wenn ich dich fragen würde, ob du mit mir nach Amerika fährst, würdest du mitkommen?«
    Es war so leicht, dass Jens fast laut gelacht hätte. Kein Regen diesmal, nur eine Hand voll Sterne, die irgendwo über den Flutlichtern am Himmel blinkten. Der Bäcker fuhr in den Gefängnishof, der Junge mit dem breitkrempigen Hut huschte mit Tabletts und geflochtenen Körben hin und her, wobei er ständig mit Armen und Beinen in Bewegung war, während er seine schwere Last an ihren Bestimmungsort brachte. Jens war beeindruckt. Alles war perfekt geplant.
    Der Junge kam in genau dem Moment mit einem leeren Tablett heraus, als sein Chef das Gebäude mit einem vollen betrat, was bedeutete, dass der Junge etwa eine Minute Zeit hatte. Doch er schien keine Eile zu haben. Mit einem Seufzer der Verärgerung lehnte er sein Tablett an die Wand, ließ sich auf der mit Stockflecken überzogenen Steinbank nieder und fing an, sich an seinen Schnürsenkeln zu schaffen zu machen. Es sah so aus, als wäre einer seiner Schuhe aufgegangen.
    Jens beobachtete ihn die ganze Zeit durch den Zaun hindurch und wusste genau, wo er hinschauen musste, doch er sah trotzdem nicht den Moment, in dem der Brief verschwand. Er hatte ihn in eine Art viereckiges Futteral aus dünnem Blech geschoben, das er extra dafür hergestellt hatte. Die Metallplatte mit dem Brief lehnte an einem der Füße der Bank, nicht mehr als ein undeutlicher Schatten auf dem Pflaster.
    Jens sah nicht, wann der Brief verschwand. Zuerst war er da, und dann war er weg. Er verschränkte die Hände hinter dem Rücken, um sie vom Zittern abzuhalten, und erst, als das Pferd schon halb draußen in Sicherheit war, begann er wieder zu atmen.
    Dieser Moment hatte kommen müssen. Chang wusste es, so wie er wusste, dass die Sonne aufging und die Schwarzkehlchen im Winter nach Hause flogen. Doch noch nicht. Noch bestand keine Notwendigkeit dafür. Er hob nicht den Kopf von Lydias Schoß. Stattdessen hob er eine Hand und berührte sie an der kräftigen Spitze ihres Kinns, und dabei spürte er ein so leichtes Zittern, dass er fast geschworen hätte, sich geirrt zu haben.
    »Amerika?«, lächelte er beiläufig. »Warum Amerika?«
    »Aber würdest du denn? Wenn das alles vorbei ist?«
    »Ob ich mitkommen würde?«
    »Würdest du mich denn fragen?«
    Sie schluckte. Er sah, wie sehr sie mit sich kämpfte. Einen kurzen Moment lang verkrampfte sich ihre Hand in seinem Haar, dann ließ sie wieder locker und zog sich zurück. Auf einmal fühlte er sich wie nackt. Sein Herz schlug langsamer.
    »Man nennt es das Land der unbegrenzten Möglichkeiten«, sagte sie, und ihre Stimme wurde lebhaft. »Es ist Platz für jeden da. Wir könnten ein ganz neues Leben miteinander anfangen, ohne all die früheren Beschränkungen und Regeln. In Amerika wären wir frei.«
    Er streckte die Hand aus und tippte sie mit dem Zeigefinger an die Stirn. »Das hier ist der einzige Ort, an dem ein Mensch frei sein kann. Im Geiste.«
    Sie lächelte. »Wenn es nach dir geht, mein Geliebter, spielt sich alles nur im Geiste ab.«
    »Und das hier? Existiert das auch nur in meinem Kopf?«
    Er zog ihren Kopf zu sich herunter und küsste sie auf den weichen Mund, denn ihre Lippen hatten alles gesagt. Doch ihre Augen schimmerten silbrig, und sie überraschte ihn, indem sie murmelte: »Chang An Lo, mir scheint, du bist es, der vor der Zukunft davonläuft. Weg von dem, was wirklich ist. Ich bin diejenige, die uns darauf vorbereitet.«
    »Uns worauf vorbereitet?«
    »Auf all das, was da kommen mag.«
    »Und wie vorbereitet?«
    Das Schimmern ihrer Augen wurde zu einem hellen Leuchten, das ihn mitten ins Herz traf. »Indem ich dich liebe«, wisperte sie.
    Meine kostbare Tochter,
    wie kann ich Dir sagen, was es mir bedeutet hat, Deine Nachricht zu erhalten? Es war, als hätte ich in den letzten zwölf Jahren in einem schwarzen, stinkenden Loch gelebt und wäre erst jetzt an die Oberfläche gekommen, um Luft zu holen. Dein Brief hat mich mit unendlicher Freude erfüllt.
    Selbst meine Gefährten hier haben mich nach meiner ungewohnt guten Laune gefragt! Ich fürchte, ich bin kalt und schwierig geworden, ein Mensch, der sich nur mit seinem elenden Ich und seinen endlos kreisenden

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