Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Sehnsucht der Konkubine

Die Sehnsucht der Konkubine

Titel: Die Sehnsucht der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Furnivall
Vom Netzwerk:
hätte sie ihn an der Hand genommen und von hier weggezerrt.
    Maxim gewährte ihr sein leeres Lächeln und dazu einen Seufzer, der seinen Schnurrbart und das Doppelkinn zum Beben brachte. »Wir haben den Lastwagen aufgespürt.«
    »Wo?«
    »Irgendwo außerhalb von Moskau.«
    »Ich möchte ihn sehen.«
    »Njet.«
    »Ich nehme an, er ist gut bewacht.«
    »Natürlich.«
    »Ich muss ihn sehen, Maxim. Bitte.«
    »Njet.«
    Sie dachte schnell. Entweder das, oder sie würde dem Scheißkerl die Augen auskratzen.
    »Mein Bruder will sicher nicht, dass ich euch weiter zur Last falle. Er weiß, wie schwierig ich sein kann. Nach alldem hier«, fügte sie mit einem zuckersüßen Lächeln hinzu, »werde ich keinem von euch mehr auf die Nerven gehen.«
    Seine Augen blinzelten nicht einmal. »Einverstanden.«
    Es geschah alles so schnell. »Danke.«
    »Und jetzt geh«, sagte der Bandenchef höflich.
    »Kann ich den Brief zurückhaben?«, bat sie Alexej und streckte die Hand nach dem Schreiben aus, weil sie Angst hatte, er würde es vernichten, wenn sie es bei ihm ließ. Er war so verärgert über ihr eigenmächtiges Handeln gewesen. Selbst jetzt war sie sich nicht sicher, ob er den Brief nicht vor ihren Augen zerreißen würde, nur um seinen Standpunkt zu untermauern.
    »Keine Briefe mehr«, wiederholte er mit Nachdruck, als er ihr das Schreiben reichte.
    Lydia nahm es entgegen und versuchte, sich ihre Erleichterung nicht anmerken zu lassen. Steif nickte sie Alexej zu, stand auf und ging in Richtung Tür. Sie zwang sich zu einem Lächeln für Maxim, bevor sie hinausging.
    »Danke, pakhan . Ich freue mich darauf, bald von dir zu hören.«
    Ein kalter Blick war die einzige Reaktion. Alexej war höflich genug, sie zur Tür zu bringen, doch er wirkte immer noch verschlossen. Sie wusste sehr wohl, wo das eigentliche Problem lag und woher seine Verletztheit und die Wut rührten. Ich hab Dich lieb , hatte ihr Vater ihr in seinem Brief geschrieben. Für Alexej hatte er nur ein paar rasch hingeworfene Worte gehabt: Richte Alexej meine liebsten Grüße und meine Dankbarkeit aus. Dazwischen lagen Welten, doch eigentlich wollte sie nicht, dass sich die Kluft zu ihren Füßen öffnete. Vielleicht wäre es ein Abgrund, in den sie stürzen würde.
    Leise sagte sie: »Geh doch noch mit mir bis zur Kreuzung, Alexej.«
    In seinem Mantel sah Alexej wieder fast so aus wie früher. Es freute sie, dass es der mit dem Riss am Kragen war, der, an den sie damals im Zug ihren Kopf gelehnt hatte, um zu schlafen. Wenigstens dieses Kleidungsstück hatte Maxim Woschtschinski nicht ausgetauscht. Noch nicht. Draußen auf der Straße war es fast menschenleer, statt des üblichen Gewusels und der Ströme von Arbeitern. Die kühle Luft roch nach verbranntem Gummi. Es war ein Geruch, der sich in den Nasenflügeln festsetzte.
    Alexej zog die Stirn in Falten. »Verdammt noch mal, wieder eine Fabrik abgebrannt. Die armen Teufel da. Wieder eine Menge Stellen weg, und wer keine Stelle hat, hat auch nichts zu essen: Der Winter ist noch lange nicht vorbei. Ist schon der zweite Brand diesen Monat. Diese Brände in Fabriken kommen immer wieder vor, weil die Sicherheitsbestimmungen nicht beachtet werden. Einfach nur Gedankenlosigkeit. Die Arbeiter rauchen Zigaretten und hantieren dabei mit Chemikalien und Gaszylindern. Niemand unterbindet das.«
    »Und was ist mit den Gewerkschaften? Sorgen die nicht dafür, dass Regeln eingehalten werden?«
    »Sie versuchen es, doch niemand beachtet sie. Es sind die alten Gewohnheiten am Arbeitsplatz. Die sterben nicht so schnell aus.«
    »Anders als Gewohnheiten in der Familie, scheint mir.«
    »Was soll das heißen?«
    »Das heißt, du hast offenbar vergessen, dass wir Bruder und Schwester sind.«
    »Das ist doch absurd.«
    »Ist es das?«
    »Ja.«
    »Bitte, Alexej, vergiss nicht auch noch Jens.«
    Er packte sie am Arm, zog sie über die Straße vor eine Bäckerei und zwang sie dazu, sich die lange Schlange anzusehen, die davorstand. Eine Reihe von Frauen mit ausgemergelten Gesichtern, alte Männer mit Augen so hart wie Eisen. Er ging an der Schlange vorbei und betrat den Laden. Durch das Fenster hindurch beobachtete Lydia, wie die Frau hinter dem Tresen ihn anlächelte, verlegen den Mund verzog, eine graue Papiertüte aus einem der hinteren Regale nahm und sie Alexej reichte. Kopeken wechselten nicht den Besitzer.
    Draußen vor der Bäckerei trat Alexej wieder zu Lydia. Mit feierlicher Miene nahm er zwei piroschki aus der Tüte und reichte

Weitere Kostenlose Bücher