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Die Sehnsucht der Konkubine

Die Sehnsucht der Konkubine

Titel: Die Sehnsucht der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Furnivall
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Mutter des kleinen Jungen warf ihr einen missbilligenden Blick zu. »Genossin«, sagte sie. Ihre Stimme klang ruhig und vernünftig. »Wir müssen es nicht mehr hinnehmen, dass wertlose Schmarotzer wie diese Dame in ihrem bourgeoisen Aufputz uns unsere Rechte wegnehmen. Das ist doch eindeutig keine Arbeiterin. Schau sie dir doch an.«
    Alle starrten jetzt auf das blasse, wohl genährte Gesicht der Frau, auf die glitzernden Rubinohrringe in dem dunklen Haar, auf den luxuriösen Pelzmantel.
    »Es ist doch offensichtlich, dass sie …«
    Lydia unterbrach die Frau. »Bitte, Genossin. Poschaluista. Das schadet dir doch nicht. Ich gebe ihr meinen Platz in der Schlange, also …«
    »Junges Mädchen«, sagte die Mutter des kleinen Jungen voller Interesse. »Wie heißt du?«
    Lydias Mund wurde trocken. »Mein Name tut nichts zur Sache. Das hat rein gar nichts mit …«
    Die Frau zog einen kleinen, blauen Notizblock aus ihrer Tasche. An einem Gummiband hing ein Bleistift.
    »Name?«, wiederholte sie.
    Abrupt mischte sich die Frau des Kommandanten ein: »Jetzt reicht’s, Genossinnen.« Sie hob ein Stück weit den Kopf, gab mit der behandschuhten Hand ein Zeichen, und im nächsten Moment tauchte einer ihrer uniformierten Reisegefährten neben ihr auf wie ein Schatten. Er sagte keinen Ton. Das brauchte er auch nicht. Die Frauen starrten auf den Boden. Lydia hatte keine Zeit zu verlieren. Sie drängte sich an seiner wuchtigen Gestalt vorbei und machte sich auf den Rückweg zu ihrem Abteil, doch als sie sich ihm näherte, sah sie, dass der zweite uniformierte Beschützer der Frau ihr den Weg verstellte.
    »Entschuldigung«, sagte sie höflich.
    Er bewegte sich nicht, sondern legte nur die Hand an das Pistolenhalfter auf seiner Hüfte. Er war groß, hatte feine slawische Gesichtszüge und stark errötete Wangen. Seine dunklen Augen blickten amüsiert.
    »Sag mir, Mädchen«, fragte er und baute sich ganz nah vor ihr auf, um ihren Mantel, die Schuhe, die hässliche Wollmütze einer eingehenden Musterung zu unterziehen. »Wieso interessierst du dich für die Gattin des Genossen Kommandant?«
    Lydia zuckte mit den Achseln. »Tu ich gar nicht.«
    »Ich bin hier, um dafür zu sorgen, dass das auch so bleibt.«
    »Das ist deine Angelegenheit, nicht meine, Genosse.«
    Der amüsierte Ausdruck in seinen Augen war verschwunden, aber nach einem langen Blick trat er beiseite, um sie durchzulassen. Seine Uniform roch muffig, als hätte er viele Nächte darin geschlafen. Sie spürte seinen bohrenden Blick in ihrem Rücken, während sie den Gang entlangeilte.
    Am späten Nachmittag hatte ein heftiger Eisregen eingesetzt, kleine Graupelkörner, die wie Schrotkugeln gegen die Fensterscheiben des Zuges prasselten. Ohne Vorwarnung wurde der Zug, während sie eine weite Ebene durchquerten, immer langsamer und kam schließlich mit kreischenden Bremsen und inmitten einer gewaltigen Dampfwolke zum Stehen. Draußen verschwamm die Welt im Dunst.
    Langsam kam ein kleiner, aus Brettern und rostenden Eisenstreben gezimmerter Bahnhof in Sicht, und Lydias Herz schlug schneller, als sie das Ortsschild erblickte. Trowitsk. Das war der Bahnhof, der zum Arbeitslager Trowitsk gehörte. Bewaffnete Soldaten bewachten mit Adleraugen den Bahnhof, niemand, der keine offizielle Genehmigung hatte, durfte hier aussteigen. Dennoch erhob sich Lydia von ihrem Sitz.
    »Wohin gehst du?«
    »Mach dir keine Sorgen, Alexej. Ich vertrete mir nur die Beine …«
    »Du kannst hier nicht aussteigen.«
    »Ich weiß.«
    »Es regnet. Sie wird schnell machen.«
    Lydia blickte auf ihren Bruder hinab, in seine intelligenten Augen. Er wusste Bescheid. Langsam dämmerte ihr, dass er wusste, was sie tun würde.
    Lydia stand auf der obersten Stufe des Waggons. Die schwere Tür stand offen, doch sie wusste, dass es ein Fehler gewesen wäre, auf den Bahnsteig hinabzusteigen. Der Regen peitschte ihr ins Gesicht, während sie im Türrahmen lehnte und mit gespielter Gelassenheit hinausblickte. Sie wünschte, sie würde rauchen, denn in einer Tür zu stehen und zu rauchen ließ einen Menschen irgendwie harmlos wirken. Und genau so wollte sie in diesem Moment wirken – harmlos.
    Drei Soldaten waren damit beschäftigt, eine kleine Gruppe von Männern aus dem Gepäckwaggon am hinteren Ende des Zuges aussteigen zu lassen. Lydia beobachtete sie. Die Männer waren Gefangene. Sie sah es an ihren gebeugten Schultern, an den angespannten Gesichtern, an der Art, wie sie sich bewegten, als rechneten sie jeden

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