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Die Sehnsucht der Konkubine

Die Sehnsucht der Konkubine

Titel: Die Sehnsucht der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Furnivall
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gerufen.«
    »Gerufen von wem?«
    »Von unserem großen Anführer, Mao Tse-tung.«

ELF

    D i e Tür wurde aufgerissen. Ein Schwall eisiger Luft wehte durch die Kneipe und riss kleine Löcher in die dicke Rauchwolke, die wie ein Todeshauch über den Köpfen der Zecher hing. Alexej blickte von den Spielkarten in seiner Hand auf. Aha. Popkow war endlich aufgetaucht. Der große Kosak wischte sich den Schnee aus dem zerzausten Bart, doch seine Bewegungen waren fahrig; er schwankte, und sein Auge war schon jetzt so blutunterlaufen wie das Herz eines Schweins.
    Du blödes Arschloch. Wir sollten uns doch heute Abend gegenseitig den Rücken decken. Was nützt du mir denn in diesem Zustand?
    Alexej wandte seine Aufmerksamkeit wieder den Spielkarten zu, versuchte, sich mit aller Macht zu konzentrieren. Das war sein viertes Spiel in ebenso vielen Kneipen, jede von ihnen in irgendeiner Seitengasse gelegen, in der es nach Katzenpisse und Verzweiflung stank. Die rauen Holztische waren voller Bierflecke, der Boden mit Wodka und Tränen getränkt. In dieser Art von Lokal verkehrten ausschließlich Männer. Nicht eine einzige zarte Wange oder ein wohl geformtes Bein weit und breit. Nur eine Ansammlung von Männern, die wild entschlossen waren, die Sorgen des Alltags und die keifenden Stimmen ihrer Ehefrauen hinunterzuspülen und in den Tiefen ihrer Gläser das Vergessen zu suchen.
    »Jetzt mach schon. Wir haben nicht die ganze Nacht Zeit, weißt du.«
    Alexej achtete nicht auf das Drängen seines Gegenspielers, den er ganz bewusst unter all denen herausgesucht hatte, die an den Tischen saßen und Karten spielten. Seine Wahl war auf ihn gefallen, weil er fett war. Fett bedeutete, dass er zu essen hatte, und zwar reichlich. Sicher besserte er seine Kost mit Schmiergeldern und Bestechungsgeschenken auf, ließ sich alles schmecken, was man mit einer Hand voll Rubel kaufen konnte. Ganz offensichtlich ein Spitzel. Ein Mann, der Informationen verkaufte.
    Irgendwo in der Nähe fiel krachend ein Stuhl zu Boden, und Alexej sah aus dem Augenwinkel, wie Popkow sich auf den Weg zu ihm machte.
    »Wo, zum Teufel, bist du gewesen?«, hieß ihn Alexej barsch willkommen, ohne von seinen Karten aufzublicken.
    Popkow schob sich mit seinem plumpen Körper um den Tisch herum und blieb hinter Alexejs Stuhl stehen. Als er sah, was für ein Blatt er in der Hand hielt, lachte er laut auf, und Alexejs Gegenspieler bekam einen ordentlichen Schwall seines wodkadurchtränkten Atems ab.
    »Gib besser auf, wenn du verlierst«, murmelte er in Alexejs Ohr und lachte glucksend über seinen eigenen Witz.
    Der Dicke gegenüber stimmte in seine Belustigung ein. »Dein Freund hat Recht.« Er hielt sein eigenes Blatt wie einen Fächer vor sich hin und wedelte damit, als wollte er Alexejs Gewinnchancen zum Abschied zuwinken.
    »Das Spiel ist noch nicht vorbei«, antwortete Alexej verärgert.
    Gerade wollte er ein paar weitere Rubel auf den Haufen werfen, als er einen so heftigen Stoß in die Rippen bekam, dass sich seine Finger öffneten und die Spielkarten aus seiner Hand fielen. Sie rutschten über die schmutzige Tischplatte, und vier davon fielen zu Boden, mit der Vorderseite nach oben.
    »Was, zum Teufel …« Alexej griff nach den Karten. Doch es war zu spät. Der Dicke hatte sich trotz seiner Wampe blitzschnell gebückt und sie bereits aufgehoben.
    »Eine Sieben, eine Neun und eine Zehn, das ist kein gutes Blatt«, grinste der Mann und tauchte seinen schweren Schnurrbart tief in sein Bierglas. »Jetzt gib schon auf, wie es dein guter Freund sagt.« Die grauen Augen blickten gierig.
    Alexej warf kapitulierend die Hände in die Luft und ließ es zu, dass sein Gegner die Rubel auf dem Tisch an sich nahm und einsteckte. Er blickte zu Popkow hoch. »Du bekloppter Säufer. Du bist schuld, dass ich verloren habe.« Doch dann sah er Popkows Gesichtsausdruck. »Na gut. Das Spiel ist vorbei.« Alexej stand von seinem Stuhl auf und salutierte scherzhaft vor seinem Gegenspieler. »Ist heute offenbar nicht mein Abend.«
    Doch der Dicke hörte gar nicht zu. Er versuchte bereits, einen neuen Mitspieler zu gewinnen. Widerwillig ließ sich Alexej von Popkow die Hand auf die Schulter legen und zu einem freien Tisch im hinteren Teil des Raumes lenken. Beide setzten sich. Alexej dachte an die verlorenen Rubel und seufzte. Dann zündete er sich eine Zigarette an, zog den Rauch tief in seine Lungen und schaute Popkow an.
    »Du bist gar nicht so betrunken, wie du aussiehst,

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