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Die Sehnsucht der Konkubine

Die Sehnsucht der Konkubine

Titel: Die Sehnsucht der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Furnivall
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spüren, den unangenehm fettigen Geschmack von Milch in seinem Mund. Und eine sanfte fanqui- Stimme zu hören, die sagte: »Trink.« Ihr zu Gefallen hatte er getrunken.
    »Es ist besser«, sagte er zu dem älteren Mann, »wenn Mao mit seiner Frau reist. Besser für die Städte, in denen er sich aufhält.«
    »Warum besser? Sie hat uns jeden Tag gekostet, den sie hier war, und von allem wollte sie immer nur das Beste.«
    »Trotzdem ist es besser.« Chang beobachtete eine junge Frau, die vor der Tür des Seilmachers auf der anderen Straßenseite fegte. Ihr Haar war lang und hübsch geflochten. »Es ist besser für die Mädchen der Stadt«, sagte er.
    »Ich habe Gerüchte gehört«, flüsterte Hu Tai-wai mit finsterer Miene, und seine dicken Augenbrauen zogen sich zu einer einzigen schwarzen Linie zusammen. »Ich habe Si-qi zuhause eingesperrt.«
    »Eine weise Entscheidung.«
    »Also.« Hu Tai-wai stach seine Nadel in ein Lederstück, das er sich um sein Handgelenk gebunden hatte, und ließ sie dort stecken. »Sag mir, Welpe des Windes, warum hat die Kommunistische Partei Chinas ihren besten Entschlüssler ausgerechnet in das beschauliche Städtchen Zhandu entsandt?«
    »Niemand weiß, dass ich hier bin.«
    »Aha.«
    »Ich bin gekommen, um mit dir persönlich zu sprechen.«
    »Worüber?«
    »Über die Russen.«
    Hu Tai-wai schenkte ihm ein träges, amüsiertes Lächeln. »Dann bist du ein Dummkopf. Du kommst zu spät, mein junger Freund. Die Jahre, in denen ich Berater und Unterhändler mit den Russen, den Bärtigen, war, sind lange vorbei. Du weißt, dass ich das aufgegeben habe. Jetzt bin ich nur noch ein armer Flickschuster vom Lande.« Seine schwarzen Augen glitzerten, und die feinen Fältchen um seinen Mund verzogen sich im Sonnenschein zu einem zufriedenen Lächeln. »Mir sind mein Leben und meine Familie zu kostbar. Bei Mao ist es ebenso wie bei Josef Stalin, diesem anderen allzu machthungrigen woschd – du weißt nie, wann sie deiner überdrüssig werden. Einmal Blinzeln, und schon findest du deinen Kopf auf einen Pfahl gespießt wieder.«
    »Aber du bist in Sowjetrussland gewesen.«
    »Viele Male.«
    »Ich fürchte, wir alle tanzen jetzt nach der Melodie der Rubel. So erzähl mir von ihnen, Hu Tai-wai. Sag mir, worauf ich mich vorbereiten muss.«
    Hu Tai-wais Haus war bescheiden. Ganz anders als das elegante Haus, das er laut Changs Erinnerung in Kanton besessen hatte, ein Haus mit vielen Innenhöfen, reichlichen Jadeverzierungen und geschnitzten Möbeln, die einmal seinem Vater und dessen Vater gehört hatten. Hier war alles schlicht und robust, wie es sich für die Familie eines Schusters gehörte. Nur ein Schrein im Flur, der seinen Ahnen gewidmet war, brüstete sich noch dessen, was einmal gewesen war. Perlen und Gold schmückten die Gemälde seiner Eltern und Großeltern. Auf Silberplatten wurden sorgfältige gegarte Scheiben Kalbfleisch und Delfin zusammen mit bunten Obststücken und Zuckerwerk gereicht. Auf einem Marmorpodest stand ein gravierter Glaskelch, darin dicker, rubinroter Wein.
    Chang spürte vor Neid einen Stich, als sein Blick auf den Schrein fiel, und Schuldgefühle durchströmten ihn, weil er selbst für seine eigene, tote Familie nichts dergleichen geschaffen hatte. Er tauchte die Hand in eine Onyxschüssel mit Azaleenblättern und ließ das grüne Beiwerk über eine Schale mit Granatäpfeln und Mangos rieseln. Dabei murmelte er Worte, die ihn mit dem Geist seines Vaters verbanden. Er zündete ein Weihrauchgefäß an und sah dabei zu, wie der duftende Rauch in einem dünnen Fähnchen des Glaubens nach oben stieg.
    Im Kommunismus war der Glaube verpönt, ebenso wie das Individuum verpönt war. Nach den Lehren von Marx und Engels ging es darum, den menschlichen Verstand so zu trainieren, dass er eine ganz neue und verbesserte Version des Menschen hervorbringen würde. Das war seine Aufgabe für die Zukunft und der Kampf, den zu führen Chang sich verpflichtet hatte. Er liebte China mit seiner ganzen Seele und war überzeugt davon, dass nur der Kommunismus sein Land vorwärtsbringen konnte, denn nur seine Ideale könnten einer ungerechten Gesellschaft zu Frieden und Gleichheit verhelfen. Einer Gesellschaft, in der so mancher arme Vater sich gezwungen sah, eines seiner Kinder zu verkaufen, um die anderen durchzubringen, während fette, reiche Grundbesitzer in Ziegenmilch badeten und ihren Pächtern so hohe Abgaben aufbrummten, dass sie von ihrer Fronarbeit krumme Rücken bekamen und ihre

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