Die Sehnsucht der Konkubine
stimmt’s?«
Popkows breites Gesicht verzog sich zu einem schlauen Grinsen. »Das bin ich nie. Mittlerweile solltest du das wissen.«
»Und warum hattest du dann solche Eile damit, mein Spiel zu beenden?«
»Ich glaube, das Spiel, das ich gespielt habe, ist dir viel mehr wert.«
»Also?«
»Also hab ich ein Glas getrunken.«
»Falsch. Ein paar Gläser .«
»Natürlich. Wäre es nicht mehr als eins gewesen, hätte ich auch nichts in Erfahrung gebracht. Und jetzt hör mir endlich zu.«
Alexej lehnte sich in seinem Stuhl zurück, um den Ausdünstungen des Kosaken zu entgehen. »Also gut. Erzähl schon. Wo warst du?«
»Ich war in einem Bordell.«
»Meine Güte. Erzähl mir bloß nicht, du hast dir einen Tripper eingefangen.«
»Halt die Klappe. Ich war nicht dort, um irgendeins der Mädchen anzufassen. Ich hab nach einem Wächter aus dem Lager gesucht. Die sind doch bestimmt ganz wild drauf, oder? Konnte mir vorstellen, dass es dort nur so wimmelt von denen.«
Alexej zog an seiner Zigarette, um sich seine Überraschung nicht anmerken zu lassen. Der Kosak war offenbar nicht so blöd, wie er aussah.
»Und hast du einen gefunden?«
»Da kannst du Gift drauf nehmen. Fast so groß wie ich war er, und keines der Mädchen wollte was mit ihm zu tun haben, das hat man gemerkt.« Er senkte die Stimme und schlug einen beunruhigend vertrauensvollen Ton an. »Weißt du, manche von den Mädchen sind einfach zu klein gebaut für unseren …«
»Genug.«
Popkow kratzte sich an der Augenklappe und nahm seine Erzählung wieder auf. »Der Mann torkelte im ganzen Zimmer herum, stieß gegen alles und jeden, der ihm in die Quere kam. Die Puffmutter rief: ›Bringt jemand diesen verdammten Wachsoldaten hier zurück ins Lager. Ich will ihn hier raushaben!‹ Und das hab ich dann gemacht.«
Alexej bot dem Kosaken eine seiner Zigaretten an und zündete sie für ihn an. Es war eine kleine Geste. »Und dann?«
»Er ist ein großer Kerl, wie ich gesagt habe. Ist ständig auf der Straße zusammengebrochen, weshalb ich ihn …«
»Aufheben musstest, ja. Da du doch so ein hilfsbereiter Mensch bist.«
»Lass mich ausreden, ja?« Popkow blickte Alexej finster an. »Wenigstens habe ich nicht die ganze Nacht herumgesessen und Karten gespielt, gutes Geld rausgeschmissen und …«
»Das Problem mit dir, mein Freund, ist, dass du kein strategisches Denken besitzt.«
Das einzelne schwarze Auge starrte ihn durch den Rauch finster an. »Und das bedeutet was?«
»Das bedeutet, dass der Verlust von ein paar Rubeln nötig war, um herauszufinden, dass …« Alexej wollte den großen Mann ein wenig auf die Folter spannen, »dass es in den kommenden Wochen große Truppenbewegungen durch Felanka geben wird. Das bedeutet Züge. Viele Züge, die hier ankommen und wieder wegfahren, ein konstanter Strom neuer Gesichter, die für Verwirrung sorgen.« Er beugte sich vor, die Ellbogen auf dem schmutzigen Tisch, den Blick aufmerksam auf Popkow gerichtet. »Wenn wir unsere Sache hier rasch hinter uns bringen, könnten wir schneller hier weg sein, als ich dachte. Aber«, er zögerte, da ihm die nächsten Worte nur schwer über die Lippen kamen, »dazu ist es ganz wichtig, dass du auf Lydia aufpasst.«
»Ich passe immer auf Lydia auf.«
»Ich glaube, sie könnte den Versuch machen, mit einem der Züge zurück nach Seljansk zu fahren.« Bei der Vorstellung, seine Schwester könnte ganz allein in einem dieser Truppenzüge voller Soldaten mitfahren, drehte es ihm den Magen um.
Der Kosak drückte seine Zigarette in einer Bierlache aus. Sie zischte, während er aufstand. Offenbar hatte er es plötzlich eilig. »Dann mal los.«
Die Nacht war sternenklar, und die kalte Luft draußen traf sie wie ein Schlag ins Gesicht. Frischer Schnee lag unter ihren Füßen. Alexej folgte dem Kosaken eine schmale Nebenstraße entlang, in der kein Licht brannte. Nur eine düstere Reihe von Lagerhäusern, deren Türen im Wind klapperten wie die Knochen eines Toten. Ein Geruch nach Verbranntem stieg Alexej in die Nase und wurde stärker, als Popkow in einen Hof abbog. Flammen züngelten aus einer großen metallenen Tonne, die vor einem kleinen Schuppen stand. Popkow ging direkt darauf zu.
»Was hast du mit ihm gemacht?«, fragte Alexej, der nichts Gutes ahnte.
Popkows zufriedenes Glucksen sagte mehr, als es Alexej lieb war.
Der Bär von einem Mann versetzte der Tür einen Tritt, und sie sprang auf. Der flackernde Schein des Feuers von draußen fiel auf das bleiche Gesicht
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