Die Sehnsucht der Konkubine
Lebenserwartung deutlich verkürzt wurde.
Chang blickte in die Flamme des Weihrauchbrenners. Sein zartes Flackern grub sich in seine schwarzen Augen, und er spürte, wie das vertraute Züngeln des Zorns in seinem Inneren aufglühte. Es war ein Feuer, das er versuchte, in Schach zu halten, doch ab und zu loderte es auf, ohne dass er etwas dagegen tun konnte. Und versengte ihn mit seiner Glut.
»Chang An Lo, du bringst unserem bescheidenen Zuhause Licht und meinem unwürdigen Herzen Freude.«
Chang verbeugte sich tief vor Yi-ling, der Frau des Schusters. »Es ist mir eine Ehre und Freude, dich wiederzusehen. Ich bin weit gereist, und dein Heim ist stets wie ein Bett aus Rosenblättern für meine müden Knochen.«
Er verbeugte sich noch einmal, um ihr seine Wertschätzung zu zeigen, denn in Gegenwart dieser Frau fühlte er sich stets linkisch, und ihm fehlten die Worte, um ihr seine Dankbarkeit auszudrücken. Die Frau des Schusters hatte breite Hüften und breite Wangen, eine hohe Stirn, doch es war die Wärme und Herzlichkeit in ihren Augen, die sie schön machten. Er hätte es anmaßend gefunden zu versuchen, ihr Alter zu schätzen, doch sie war alt genug, seine Mutter zu sein, und er hatte es ihr nie vergessen, dass sie ihn in jener verzweifelten Zeit, als man seine Eltern in Peking geköpft hatte, bei sich aufgenommen hatte.
Und es war Yi-lings Ehemann, Hu Tai-wai, gewesen, der seinen Horizont erweitert hatte. Er war derjenige gewesen, der den jungen Chang, den Sohn eines Beraters am Hofe des Kaisers von China, mit den Idealen und Zielen von Karl Marx und dem Kommunismus vertraut gemacht hatte; genau das Gegenteil des Gedankengutes, mit dem er aufgewachsen war. Doch lange war Chang nicht geblieben, weil er durch seine Verbindung mit ihnen nicht ihr Leben in Gefahr bringen wollte. Und so war er weitergezogen. Ständig unterwegs zu sein, war zum grundlegenden Muster seines Lebens geworden, trotzdem steckte ein winziger Teil seines Denkens und Fühlens seit damals in der Schürzentasche dieser Frau.
Jetzt schenkte sie für ihn Tee ein, den sie aus kleinen Schalen tranken. »Die Götter haben dafür gesorgt, dass dir nichts passiert. Dafür danke ich ihnen und will ihnen eine Gabe in den Tempel bringen.«
»Sie sind auch zu euch gut gewesen. Ich habe Hu Tai-wai nie so fett und entspannt gesehen. Er sitzt dort draußen bei seiner Arbeit so zufrieden wie eine Katze in der Sonne.«
Sie lächelte. »Ich wünschte, ich könnte das Gleiche über dich sagen, Chang An Lo.«
»Sehe ich so schlecht aus?«
»Ja. Wie etwas, das ein Hund ausgespuckt hat.«
»Dann nehme ich ein Bad, wenn ich darf.«
»Gerne. Aber das ist es nicht, was ich meine. Ich habe nur in deine Augen gesehen, und was ich dort sehe, greift mir ans Herz.«
Chang senkte den Blick, nahm einen Schluck von seinem Tee, und einen Moment lang herrschte Schweigen in dem kleinen, schwülen Raum. Irgendwann hob Chang die Augen, und sie wussten beide, dass dieser Teil ihres Gespräches beendet war.
»Wie geht es Si-qi?«, fragte er.
»Meiner Tochter geht es gut.« Yi-lings Gesicht leuchtete auf, als wäre die Sonne darüber hinweggezogen. Ihre Augen begegneten den seinen, aufmerksam und voller Hoffnung, und er ahnte sofort, welche Gedanken sie hegte. Si-qi war sechzehn und damit im heiratsfähigen Alter.
»Geh«, sagte sie und bedeutete ihm mit einem Wedeln ihrer zarten Hand, sich auf den Weg zu machen. »Geh und sprich mit ihr. Sie ist im Hof.«
Er stand auf und verbeugte sich respektvoll. Sie gab ein freudiges Schnauben von sich.
»Bevor ich gehe, Yi-ling, möchte ich euch ein Geschenk überreichen.«
Ihre dünnen Augenbrauen wanderten nach oben, und sie strich sich verlegen über den schwarzen Rock. »Das ist nicht nötig, Chang An Lo.«
»Ich denke schon.«
Er öffnete seine lederne Satteltasche und zog etwas heraus, das in ein altes Hemd gewickelt war. Er streckte es ihr hin. Sie erhob sich und nahm es entgegen, doch als sie spürte, wie schwer es war, wurde ihr Lächeln neugierig, und sie wickelte das Geschenk aus.
»Chang An Lo«, flüsterte sie mit zittriger Stimme.
In ihrer Hand lag eine Pistole.
»Yi-ling, ich weiß, dass sich dein Ehemann weigert, ein Gewehr zu tragen, weil er sagt, er habe mit der Gewalt abgeschlossen. Doch ich fürchte, die Gewalt hat noch nicht mit ihm abgeschlossen, und auch nicht mit China, weshalb ich möchte, dass ihr das hier …«
Ihr Blick huschte zur Tür, doch Hu Tai-wai war immer noch draußen bei seinem
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