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Die Sehnsucht der Konkubine

Die Sehnsucht der Konkubine

Titel: Die Sehnsucht der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Furnivall
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war es lauter geworden, ein anderer Mann sang ein altes Volkslied, bei dem die Zecher ins Schunkeln kamen und mitgrölten. Die elektrischen Lampen an den Wänden flackerten, und fast hatte es den Anschein, als würden sie alle jeden Moment im Dunkeln sitzen.
    »Genosse, du arbeitest bestimmt schwer«, sagte Alexej, so leise, dass seine Worte in dem allgemeinen Geräuschpegel untergingen, aber noch laut genug für die Ohren seines Tischnachbarn waren, »so hart, dass du unseren großen Parteiführer mit deinem Engagement für den Aufbau unserer sowjetischen Gesellschaft bestimmt mit Stolz erfüllst. Wir alle profitieren von dem, was du tust.« Er ließ die Worte im Raum stehen. »Man vertraut dir viele Informationen an.«
    Jetzt endlich war die Begierde geweckt und stand dem Mann deutlich in die grauen Augen geschrieben. Wuschnew hing an der Angel. Diesmal griff der Büroleiter des Lagers von Trowitsk zu dem Wodkaglas, trank es in einem Zug aus und schmatzte genüsslich mit den Lippen.
    »Nicht hier«, warnte er. »Zu viele Augen.«
    »Wo dann?«
    »Auf der Kirow Most. Der Brücke im östlichen Teil der Stadt. In der Mitte ist ein steinerner Bogen.«
    »In einer halben Stunde.«
    »Ich werde dort sein.«
    Alexej atmete schwer aus, die Muskeln an seinem Hals entspannten sich deutlich. Warum hatte er bloß das Gefühl, dass Wuschnew genau diese Worte nicht zum ersten Mal gesagt hatte?
    Die Brücke war menschenleer. Schneeflocken wirbelten durch die Dunkelheit. Die mörderische Eisschicht auf den Straßen und Gehwegen, die während des Tages vom Straßenverkehr aufgebrochen worden war, fror wieder zu einer harten Schneedecke zusammen und machte das Gehen fast unmöglich.
    Alexej war zu früh da. Um nicht gesehen zu werden, hielt er sich in der Nähe der Gebäude, einer Reihe von verrammelten Werkstätten am Flussufer, auf. Dabei behielt er die ganze Zeit die Brücke im Auge, die jedoch, abgesehen von einigen Lastwagen, die gelegentlich darüberrumpelten, menschenleer blieb. Er fragte sich, ob Wuschnew ihn wohl von der anderen Seite des Flusses aus beobachtete. Kirow Most war eine Steinbrücke, deren Brüstung mit gemeißelten Figuren geschmückt war. Genau am Scheitelpunkt der Brücke lag der steinerne Bogen, den Wuschnew erwähnt hatte. Immer noch war nichts von ihm zu sehen.
    An jedem Ende der Brücke bemühte sich eine Laterne aus kunstvoll geschmiedetem Eisen redlich, einen Lichtkreis auf den Boden zu werfen, doch beide Lichtkörper hatten gegen die wirbelnden Schneeflocken keine Chance. Der Wind zerrte an Alexejs Mütze und fuhr mit seinen Eisfingern in seine Augen, doch er rührte sich nicht, atmete in kurzen Stößen hinter seinem Schal, den er sich um Mund und Nase geschlungen hatte. Als ihn etwas am Schienbein streifte, zuckte er vor Schreck zusammen, und das Herz klopfte ihm bis zum Hals, so versunken war er in die Beobachtung der Brücke gewesen, doch es war nur eine magere Katze, die bei ihm Wärme suchte.
    Eine halbe Stunde verging. Eine Stunde. Immer noch war niemand auf der Brücke zu sehen. Er und die Katze leisteten sich gegenseitig Gesellschaft, doch in der Kälte schien seine Konzentration allmählich nachzulassen, denn fast hätte er es verpasst. Jemand stemmte sich gegen den Wind, in eine fufaika gehüllt und mit einem Schal um den Hals, der auch einen großen Teil seines Gesichts verbarg. Es konnte Wuschnew sein. Oder auch nicht. Was viel wichtiger war: Die Person war allein. Alexej streichelte der Katze zum Abschied über den Kopf und trat aus seinem Versteck hervor. Mit langen Schritten holte er den Mann ein und tippte ihm auf die schneebedeckte Schulter. Er fuhr herum, erschrocken, die Augenbrauen über den verängstigten Augen dick mit Eis verkrustet. Es war Wuschnew.
    »Verdammt noch mal, hast du mich erschreckt!«
    »Du kommst spät«, hub Alexej an.
    »Na und? Ich hatte zu tun. Ich musste …«
    Die grauen Augen blickten argwöhnisch, aber nicht mehr verängstigt. Das gefiel Alexej nicht. Es machte ihn nervös. »Bringen wir’s hinter uns«, unterbrach er ihn. »Ist mir zu kalt hier, um mir deine ganze Lebensgeschichte anzuhören.«
    Der Mann trat einen Schritt zurück und blickte aufmerksam die Brücke entlang. Alexej durchfuhr ein Schauder, der nichts mit der Kälte zu tun hatte.
    »Ich suche nach jemandem«, sagte er schnell.
    »Name?«
    »Jens Friis.«
    »Russe?«
    »Nein, er ist Däne. Sagt dir das was?«
    »Ist dir eigentlich klar, mit vielen Namen ich tagtäglich …«
    »Sagt er dir

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