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Die Sehnsucht der Konkubine

Die Sehnsucht der Konkubine

Titel: Die Sehnsucht der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Furnivall
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Nur zwei der Männer trugen keine Uniform, der eine schlief und hatte seine Mütze tief ins Gesicht gezogen, anscheinend taub für den Lärm um ihn herum. Der andere, der direkt gegenüber von Lydia am Fenster saß, trug einen gut geschnittenen Nadelstreifenanzug und einen schicken Filzhut. Er blickte regelmäßig auf seine Taschenuhr, doch Lydia hatte das Gefühl, das tue er weniger um der Uhrzeit willen, als um mit seinem Schmuckstück Eindruck zu schinden. Als er die Uhr zum fünften Mal aus seiner Westentasche zog und sich das schwere Goldkettchen, mit dem sie eingehängt war, um den Daumen wickelte, um aufs Zifferblatt zu schauen, konnte Lydia nicht mehr widerstehen. Sie beugte sich nach vorn.
    »Entschuldigen Sie, darf ich mal sehen?«
    »Natürlich, junge Genossin.«
    Beide von ihnen wussten, dass sie sich nicht für die Zeit interessierte. Er rutschte auf seinem Sitz nach vorn und hielt ihr die Uhr in seiner behandschuhten Hand entgegen. Ganz langsam, wie nachdenklich, studierte Lydia das gravierte Zifferblatt und fuhr mit dem Finger über die Rundung des goldenen Gehäuses.
    » Otschen krassiwyje. Sie ist wunderschön.«
    »Spassibo.«
    In dem schmuddeligen Zugabteil schimmerte die goldene Uhr wie ein funkelnder Sonnenstrahl, und auch andere Augenpaare richteten sich jetzt mit Interesse darauf. Es war dumm von dem Mann, die Uhr so herzuzeigen. Es würde nicht viel dazu gehören. Wenn der Zug in den Bahnhof einfuhr, würde sie aufstehen, so tun, als würde sie aus dem Gleichgewicht geraten, wenn der Zug mit einem Ruck zum Stehen kam, und sich auf den Mann fallen lassen. Die Uhr würde in ihrer Tasche stecken, sobald sie auf dem Bahnsteig stand. Ein Kinderspiel, auch nicht schwerer, als einem blinden Bettler seine Münzen zu klauen.
    Sie lehnte sich zurück und schloss die Augen, während ihr plötzlich eine unerwartete Wärme durch die Adern floss, so intensiv, dass sie spürte, wie ihre Wangen zu brennen begannen. Woher kam das? Sie dachte sorgfältig darüber nach und kam zu dem Schluss, dass es mit der Uhr zu tun hatte. Nicht mit der Uhr des Fahrgastes, sondern einer anderen, noch schöneren, von vor vielen Jahren. Auf einmal stand ihr die Erinnerung an das Gewicht dieser Uhr in ihrer Hand ganz deutlich vor Augen, eine Erinnerung, von der sie gar nicht gewusst hatte, dass sie sie besaß, und sie musste lächeln, ohne zu wissen, warum. Und dann entfaltete sich die Erinnerung, unscharf an den Kanten, aber immer noch da.
    Papa in seinem schweren Reisecape, den Kragen bis zu den Ohren hochgeschlagen, und das dunkelgrüne Seidenfutter, das um seine Beine wogte, während er durchs Zimmer schritt. Welches Zimmer? Sie stocherte in der Erinnerung herum, und zuerst wollte ihr nichts einfallen, doch dann stand auf einmal das Bild eines Raumes mit hoher Decke vor ihren Augen, schwere Möbel, Bücher. Das war es. Bücher, die die ganze Wand bedeckten. Papas Bibliothek. Papa hatte seine Taschenuhr in der Hand, die grünen Augen blickten voller Ungeduld, wilde Locken lugten über den Mantelkragen, und jeder Teil seines Körpers brannte darauf, endlich loszukommen. Selbst jetzt, all die Jahre später, spürte sie diese Energie und den Schmerz, den er in ihrer kleinen Brust damals verursacht hatte.
    »Geh nicht, Papa«, hatte sie ihn angefleht und mit den Tränen gekämpft.
    Im selben Moment war er an ihrer Seite, legte die Arme um sie. Rasch hatte sie tief Luft geholt, um den Duft seines würzig nach Holzfeuer riechenden Capes bei sich zu behalten.
    »Ich bin doch bald wieder da, malyschka «, tröstete er sie und strich ihr über das störrische Haar, das ebenso schwer zu bändigen war wie sein eigenes. »Nur ein paar Wochen.« All die kleinen Fältchen in seinem Gesicht waren zu einem breiten Lächeln für sie zerschmolzen, und er küsste sie auf die Stirn. »Die Arbeit ruft«, sagte er. »Ich muss nach Paris. Aber wenn deine Mutter jetzt nicht bald die Treppe runterkommt, gehe ich ohne euch zum Bahnhof.«
    »Nein«, hatte sie gejammert. Dem Papa zum Abschied zuzuwinken, war ein Ritual.
    »Hör mal«, sagte er, um sie zu trösten, und hielt ihr die Taschenuhr ans Ohr.
    Ticktack. Plötzlich konnte sie sich wieder genau an ihr leises Ticken erinnern, das wie ein sanftes Flüstern war und sie so sehr in seinen Bann gezogen hatte, dass ihre Augen ganz groß wurden, während sie ihm lauschte.
    »Sie spricht«, hauchte sie.
    »Hier, fühl mal.«
    Er legte die Uhr in ihre Hand, die kaum größer war als der Zeitmesser, und sie

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