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Die Sehnsucht der Konkubine

Die Sehnsucht der Konkubine

Titel: Die Sehnsucht der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Furnivall
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was?«
    Stille, bis auf das Heulen des Windes. Alexej wischte sich den Schnee vom Gesicht.
    »Könnte sein«, murmelte der Mann schließlich.
    »Was genau sagt dir der Name?«
    »Was bietest du mir denn an?«
    Aus einer Innentasche seines Mantels zog Alexej eine flache Schmuckschatulle und klappte den Deckel auf. Eine wunderschöne Saphirkette lag darin, auf einem Bett aus cremefarbenen Satin, und er hörte, wie Wuschnew den Atem anhielt. Mit einem Klacken ließ Alexej das Schloss wieder zuschnappen. Die Kette hatte seiner Mutter gehört und war zu Zeiten von Zar Nikolaus auf so manchem Ball im Winterpalast getragen worden. Allein der Gedanke, dieser grobe Kerl könnte sie in die Hand nehmen, machte ihn wütend.
    »Du kennst also Jens Friis?«
    »Ich kenne den Namen.«
    »Ist er im Lager von Trowitsk?«
    »Was hast du mit ihm zu tun?«
    »Das geht dich einen feuchten Kehricht an.«
    »Manchmal möchte ich einfach wissen, warum meine …« Er lächelte. »Warum meine Kundschaft so erpicht darauf ist, einen der Insassen ausfindig zu machen, obwohl der Gefangene oft genug ein ganz anderer Mensch geworden ist als der, den man früher gekannt hat. Bist du darauf gefasst? Jahrelange Schwerstarbeit und harte Lebensbedingungen verändern diese Leute einfach, weißt du. Das Leben im Lager macht sie hart und egoistisch, und sie interessieren sich nur noch für …«
    Er hält mich hin. Versucht, mich abzulenken …
    Er fuhr herum, doch es war zu spät. Mist! Ein Schlag traf ihn in die Nierengegend, ein anderer seitlich am Kopf. Er taumelte, konnte sich aber trotz des vereisten Bodens auf den Beinen halten. Er rammte einen Ellbogen in ein Gesicht und ein Knie in einen Unterleib und verschaffte sich damit etwas Freiraum zum Atmen, doch vor ihm standen vier Männer, zwei weitere hinter ihm, zusätzlich zu dem, den er getroffen hatte und der sich als stöhnende Masse auf dem Boden krümmte. Wuschnew lächelte und hatte offenbar nicht die Absicht, an den Gewalttätigkeiten teilzunehmen.
    »Mein Freund«, sagte der Büroleiter leise, »du hast keine Chance. Die Halskette nehme ich trotzdem. Auch alles andere, was du zu verbergen hast. Und Widerstand leistest du besser nicht«, sagte er mit einem hämischen Kichern, »sonst muss ich meine Freunde hier auf dich loslassen. Und das willst du bestimmt nicht.«
    Nur mit einer winzigen Bewegung seines Handgelenks war eine Pistole in Alexejs Hand aufgetaucht, die er direkt in Wuschnews Gesicht richtete. »Du hast doch wohl nicht etwa gedacht, ich komme unvorbereitet?«
    Wuschnew wich zurück. Die anderen Männer blieben, wo sie waren.
    »Wuschnew, sei kein verdammter Idiot. Du kannst den Schmuck haben. Aber dafür möchte ich …«
    Das Messer kam von irgendwo her aus der Dunkelheit hinter ihm. Der Schmerz, der seinen Körper durchfuhr, war so betäubend, dass er gar nicht ausmachen konnte, wo genau der andere zugestochen hatte. Plötzlich waren über ihm Hände und Füße, die ihn schlugen und traten und seinen Körper wie mit Hammerschlägen gegen den Boden donnerten. Er drückte zweimal auf den Abzug seiner Pistole, dreimal, und hörte Schreie, doch Hände durchwühlten seine Kleider, sie zerrten daran, ohne dass er sie daran hindern konnte. Er kämpfte, bis er spürte, wie er jemandem das Handgelenk brach und seine Finger schlaff wurden, doch dann hob ihn etwas in die Luft und warf ihn über die Brüstung der Brücke. Hinaus in die Nacht und in den Fluss.
    Das Erste, was er empfand, war Erleichterung. Jetzt war er sie los, diese Schweine auf der Brücke. Die Nacht war so dunkel, dass er kaum spürte, wie er stürzte, aber schließlich setzte sein Verstand wieder ein und befahl ihm, sich bereit zu machen. Er zog seine rudernden Arme und Beine fest an den Körper und klammerte sich an ein letztes, verschwommenes Bild von seiner Schwester. Dann traf er auf der Wasseroberfläche auf, ein Aufprall, als wäre er gegen eine Ziegelmauer gelaufen, und das Wasser schloss sich um ihn wie eine eisige Faust, die ihm die Luft aus den Lungen presste. Er sank wie ein Stein.

VIERZEHN

    S echs Tage. Keine Nachricht von Alexej, sechs lange Tage.
    Es lag auf der Hand, dass ihr Bruder sie im Stich gelassen hatte. Lydia fühlte sich schrecklich einsam. Sie streifte in den Straßen von Felanka umher, auf der Suche nach der großen, aufrechten Gestalt mit dem sorgfältig gekämmten Haar und den langen, arroganten Schritten, doch es gab keine Spur von ihm, nirgendwo. Während die Tage vergingen, wurden ihre

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