Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Sehnsucht der Konkubine

Die Sehnsucht der Konkubine

Titel: Die Sehnsucht der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Furnivall
Vom Netzwerk:
gewartet, in Schnee und Regen?
    »Liew«, rief sie und fing an zu laufen. Ihr Mantel wickelte sich um ihre Beine.
    Der Kosak zog seine buschigen Augenbrauen fester zusammen und schaute sie noch finsterer an, als wäre er jeden Moment dazu bereit, jemanden umzubringen, und als sie näher kam, hörte sie seine zornigen Worte, die sich wie ein Feuerschwall in die eisige Luft ergossen.
    »Verdammt noch mal, suka ! Wo bist du gewesen? Warum, zum Teufel, bist du ohne mich gefahren? Wieso? Du blöde kleine Schlampe, du könntest irgendwo am Straßenrand in der Scheiße liegen, oder …«
    »Psst«, murmelte sie und blieb ganz still vor ihm stehen. »Pst.« Sie schaute mit einem breiten, liebevollen Lächeln zu ihm auf.
    Sein gesundes Auge funkelte sie an. »Verdammt noch mal«, sagte er.
    »Ich weiß.«
    »Geh zum Teufel.«
    »Das werde ich wahrscheinlich auch.«
    »Dummes Ding.« Seine große Pranke legte sich auf ihre Schulter, drückte sie.
    Beschimpft hatte er sie noch nie. Nie. So schlimm war es also für ihn gewesen.
    »Tut mir leid«, sagte sie, und ihre Worte gingen fast in dem lauten Dampfstoß der Lok unter.
    Sie schlang die Arme so weit um seine Brust, wie es eben ging, und drückte die Wange an seinen stinkenden Mantel. Seine Bartstoppeln kitzelten sie an der Stirn, als er sie auf den Kopf küsste. Er schlang ebenfalls seine gewaltigen Arme um sie und drückte ihren zarten Körper so fest gegen seine Rippen, bis sie kaum mehr atmen konnte. Sie hörte ihn schlucken, wieder und wieder.
    »Lass ihn auf der Stelle los«, sagte eine Frauenstimme glucksend direkt hinter Lydia. »Finger weg. Der Kosak hier gehört mir.«
    Es war Elena.
    Alexej schob die Klinge seines Messers unter den Absatz seines Stiefels und drehte sie. Nichts geschah.
    Tschort! Verdammt, er war sogar zu schwach, um den Absatz von seinem Stiefel zu entfernen. Er legte das Messer beiseite und ließ sich mit einem wohligen Seufzer auf das regennasse Gras sinken, ohne auf die feuchte Kälte zu achten, die in seinen Mantel kroch. Seit er das Schiff verlassen hatte, war er in Richtung Norden durch das flache Land unterwegs, immer am Fluss entlang. Stunde um Stunde hatte er seine Beine dazu gezwungen zu marschieren. Erst jetzt gestattete er sich eine Pause.
    Er war schweißgebadet, trotz des beißenden Windes, der über die Wasseroberfläche pfiff. Kleine Eispartikel in der Luft prickelten wie Nadeln auf seiner Haut. Sein Mund war trocken wie Sand, seine Hände zitterten. Vor ihm war ein Dorf zu sehen, Rauch kräuselte sich aus den Schornsteinen der kleinen Holzhäuschen, und der Geruch nach gebratenem Fleisch hing in der Luft. Er brauchte Geld. Ohne würde er nicht weit kommen, und das war genau der Grund, warum er jetzt mit dem Messer in seinem Stiefelabsatz herumstocherte, um ihn zu entfernen.
    Ein grauer Himmel wölbte sich über ihm, während er die Wange auf das Gras drückte, um das Feuer zu kühlen, das unter seiner Haut wütete. O Lydia. Verdammt, warte einfach auf mich. Sei geduldig. Ich komme zurück. Das verspreche ich. Plötzlich überkam ihn abermals eine Welle der Scham. Er hatte sie im Stich gelassen. Er richtete sich wieder auf und begann erneut, sich an dem Stiefel zu schaffen zu machen. Seinen Geldgürtel hatte er an diesen Scheißkerl in Felanka verloren, doch in jedem Absatz seiner Stiefel lag ein aufgerolltes Bündel weißer Rubelnoten. Vielleicht nicht viel, aber genug, um damit nach Felanka zu kommen, und auch nach …
    Mit einem Knacken löste sich der Absatz und hing nur noch an einem einzigen Schusternagel. In dem Hohlraum, den er absichtlich dafür geschaffen hatte, lag nichts. Er war leer. Alexej starrte fassungslos darauf. Schüttelte heftig den Stiefel, als hoffte er, das Geld würde an einer anderen Stelle herausfallen. Rasch griff er nach dem zweiten Stiefel, riss mit einer heftigen Handbewegung den Absatz ab und schleuderte ihn ins Gras. Auch leer. Diesmal machte er sich nicht einmal die Mühe, ihn zu schütteln.
    Kalte Verzweiflung bohrte sich in seinen Unterleib. Er versuchte, vernünftig zu denken. Der Mantel? Er schälte sich heraus, stieß mit dem Messer in den Saum, in den Kragen, in die Ärmel. Alles leer. Alles weg. Keine Rubel, keine Silberdollar. Keine Hoffnung, seinem Vater die Freiheit zu erkaufen.
    Er beugte sich zur Seite und erbrach den Fisch vom vorigen Abend ins Gras.
    » O Konstantin, du verdammter Scheißkerl, du verfluchter Dieb. Du …«
    Wut verschlug ihm die Sprache. Er wusste, es war vorbei. Er hob

Weitere Kostenlose Bücher