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Die Sehnsucht der Konkubine

Die Sehnsucht der Konkubine

Titel: Die Sehnsucht der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Furnivall
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Tausendfach brach sich das Licht in den goldgerahmten Spiegeln an den Wänden, und Alexej erschrak, als er sich zum ersten Mal seit Langem wieder im Spiegel erblickte. Er sah furchtbar aus, noch schlimmer, als er befürchtet hatte. Der Concierge hätte ihn nicht einmal eintreten lassen wollen, wäre nicht Antonina bei ihm gewesen.
    »Mach nicht so einen Aufstand, Wladimir«, hatte sie gestrahlt und ihm mit einem Wedeln ihrer Hand zum Verstummen gebracht. »Bring uns Tee … und zwei Brandys«, befahl sie und rauschte in den Salon.
    Alexej war sich schmerzlich seines ungepflegten Äußeren bewusst. Angewidert blickte er auf die Trauerränder unter seinen Fingernägeln hinab. Warum hatte sie ihn hierhergebracht? Er blickte sich um. In einer Ecke hockte ein einsamer Pfeifenraucher, über einen Stapel ockergelber Mappen gebeugt, und weiter drüben saß ein Grüppchen elegant gekleideter Frauen, die an ihrem Tee nippten und mit unverhohlener Neugier zu Alexej blickten. Antonina winkte ihnen zu, sagte jedoch nichts. Ganz am anderen Ende des Salons, neben einer kleinen Tanzfläche, saß ein älterer Mann mit eindrucksvollem Walrossschnurrbart an einem Flügel und spielte, ganz in seiner eigenen Welt versunken. Es waren traurige Weisen, die Alexej nicht kannte und die von einer Melancholie erfüllt waren, die seiner Stimmung entsprach.
    »Entspann dich.« Ihre Augen blickten ernst.
    »Bringst du öfter Männer her?«
    Sie zog die Stirn in Falten. »Natürlich nicht. Sei nicht beleidigend. Aber ich kann hier anschreiben lassen, wenn ich in der Stadt bin. Schließlich ist mein Mann hier von großem Einfluss, wie du dich vielleicht erinnerst.« Sie schenkte ihm ein träges Lächeln und wies auf ihr Brandyglas. »Mach dir also keine Sorgen deshalb. Möchtest du, dass ich dir noch eine Zigarre dazu bestelle?«
    »Nein. Aber vielen Dank.«
    Sie saßen einander gegenüber, mit einem niedrigen Tischchen zwischen sich, und er genoss es, sie zu betrachten. Es war lange her, dass er mit einer Frau alleine gewesen war. Lydia zählte nicht. Sie war seine Schwester, und außerdem war sie nur ein junges Mädchen. Am liebsten hätte er die Hand ausgestreckt und den seidigen Stoff des Kleides der Frau berührt, das taubengrau war und an den Hüften eng anlag. Mit seinen langen Ärmeln und dem hochgeschlossenen Kragen zeigte es nur wenig von ihr und hätte fast züchtig gewirkt, wäre es nicht so raffiniert geschnitten gewesen, denn es betonte die Schlankheit ihres Körpers und die üppige Fülle ihrer Brüste. Das Einzige, was ihm nicht gefiel, war, dass sie ihre Handschuhe anbehalten hatte, schöne, perlgraue Handschuhe aus Rehleder, denn er sah sich gerne Hände an. Sie sagten eine Menge über einen Menschen aus.
    Er beugte sich vor und hob sein Brandyglas. »Möge uns das Glück hold sein und wir uns noch oft treffen«, lächelte er.
    »Darauf trinke ich gerne.«
    Er schmeckte die goldene Flüssigkeit, erinnerte sich an andere Brandys, die er auf eleganten Terrassen und in anderen Rauchsalons der Gesellschaft genossen hatte. Und was war aus ihm geworden? Ein Hungerleider in geschenkten Kleidern. Wie absurd kam ihm das alles vor! Er schnaubte vor sich hin.
    »Worüber lachst du?«, fragte sie.
    »Über die seltsamen Dinge, die einem im Leben passieren. Man weiß nie, was – oder wer – einem als Nächstes über den Weg läuft.«
    Sie lächelte, und zum ersten Mal verlor ihr Blick etwas von seinem Argwohn. »Ist es nicht genau das, was es spannend macht?«
    »Nein, nicht für mich. Ich bin lieber vorbereitet, und dafür braucht man Informationen.«
    »Aha. Verstehe. Du willst etwas von mir.«
    Er lehnte sich zurück und lachte leise. »So wie du auch etwas von mir willst.«
    Sie reagierte nicht, sondern schien nur ihren Blick aus tief liegenden Augen zu schärfen.
    Abrupt leerte Alexej sein Glas und stand auf. »Komm«, sagte er und streckte ihr die Hand hin. »Tanz mit mir.« Ihre Augen weiteten sich vor Überraschung, und ihr Blick wanderte zu seiner schmutzigen Kleidung.
    »Mach dir keine Gedanken«, sagte er. »Ich werde dich schon nicht kontaminieren.«
    Sie wussten beide, dass kontaminieren ein sowjetisches Wort war. Subversive kontaminierten das Proletariat. Dissidenten kontaminierten ihre Familie und Freunde. Einen Moment lang dachte er, sie würde ihn zurückweisen, doch er täuschte sich. Sie war offenbar ein Mensch, der für eine Herausforderung zu haben war. Mit einem kurzen Seitenblick zu den anderen Frauen im Salon erhob sie

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