Die Sehnsucht der Krähentochter
Benedikt von Kort aufgerieben worden. Sein Verbündeter jedoch,
der gefürchtete französische Anführer d’Orville, war dem mächtigen Arm Benedikt
von Korths gerade noch entkommen. Und das, obwohl d’Orvilles Armee im Elsass
beinahe zerschlagen worden wäre. Korth hatte sich nach seinem Erfolg, in
offenbar allzu sicherem Gefühl des Sieges, wieder über den Rhein ins Reich
zurückgezogen. D’Orville allerdings war es gelungen, neue Söldner um sich zu
scharen. Er hatte seinerseits den großen Fluss überquert, um abermals ins Reich
einzufallen und ebenso unerwartet und kalt zuzuschlagen wie bei seinem ersten
Angriff. Neuerliche Kämpfe und Gemetzel waren die Folge, und weitere standen
bevor. Besonders die ohnehin schon blutenden Gegenden Badens waren betroffen.
Und der Bevölkerung blieb nicht viel mehr übrig, als auf den letzten Verbündeten
zu hoffen, den sie noch hatte: den Winter. Aber selbst wenn Schnee, Eis und
schneidende Kälte das Blutvergießen aufhalten würden, wäre es doch bloß für
eine Weile. D’Orville, ausgestattet mit neuen Kämpfern, Waffen und Ausrüstung,
wollte Rache für seine schmähliche Vertreibung aus den Kampfgebieten des
Reichs. Er und Korth würden es noch einmal ausfechten müssen. Zum letzten Mal.
Danach würde es nur noch einen von ihnen geben, da waren sich die beiden
Spanier einig. Die entsetzten Mienen der freundlichen Händler offenbarten etwas
von dem Grauen, das sie in den zurückliegenden Wochen und Monaten mitangesehen
hatten.
Für
Bernina, Anselmo und den Schweden bedeuteten diese Nachrichten nichts anderes,
als dass sie sich wiederum mitten hinein in einen großen Kessel aus Tod und
Verwüstung begaben. Aber keiner von ihnen äußerte den Gedanken, ob es ratsamer
wäre, erst einmal abzuwarten. Unverdrossen setzten sie am folgenden Morgen
ihren nordwärts gerichteten Weg fort.
Zwei
Tage vergingen, zwei Nächte, und dann war es ein weiterer Aufruhr des Wetters,
der sie stoppte. Regen und Schnee peitschten auf sie ein, das Rauschen des
Windes wurde mit jedem Wimpernschlag gewaltiger. Ausgerechnet zu diesem
Zeitpunkt brach die Hinterachse des Wagens. Doch glücklicherweise war ein
anderes jener vielen, weit von den Hauptrouten gelegenen Dörfern in der Nähe.
Die Einheimischen sprachen einen wilden Dialekt, aber erwiesen sich als überaus
freundlich. Mit Gesten und gutem Willen verständigte man sich, und Bernina,
Anselmo und Norby wurde eine Hütte angeboten, die von Wanderarbeitern genutzt
wurde, zurzeit allerdings leerstand. Außerdem bestand die Möglichkeit, das
Gefährt von einem Wagenmacher reparieren zu lassen. Vorerst jedoch regierte
allein der Sturm, der den Himmel zerriss und immer neue bissige Windböen über
das Land wehen ließ. Die ganze Nacht lang tobte das Unwetter, auch den
folgenden Tag über. Sie versuchten, in der notdürftigen Behausung
zurechtzukommen und warteten darauf, dass sich das Wetter beruhigen würde.
Das
geschah erst im Laufe des zweiten Morgens. Stille kehrte ein, zwar noch kalt
und durchweicht die Erde, doch milder die Luft, und sogar die Sonne ließ sich
sehen. Bernina war froh, der Enge der Hütte endlich wieder entkommen zu können.
Sie durchstreifte den Wald, der gleich am Dorfrand einsetzte, alles in allem
eine dunkle, einsame Gegend, die in kahler Kargheit der frostigen Jahreszeit
entgegensah. Noch kräftiger die Sonnenstrahlen, sogar noch etwas mehr Wärme,
die sich um Berninas Gestalt schmiegte. Auf ihrem unbestimmten Weg beschrieb
sie einen Bogen, der sie bald zurück zur Hütte führen würde. Ihre Gedanken
waren bei Anselmo. Nässe, Kälte und die Unbequemlichkeiten der Reise, all das
sorgte dafür, dass er sich kaum zu erholen vermochte. Seine Schussverletzung
sperrte sich gegen die Heilung, egal mit welchen mühsam am Wegesrand
aufgespürten Kräutern Bernina auch versuchte, ihm Hilfe zu leisten und
Erleichterung zu verschaffen.
Tatsächlich, es war
wärmer geworden. Ein letzter Rest Behaglichkeit waberte in der Luft, bevor das
Eis kommen würde. An einem kleinen Weiher wagte es Bernina sogar, sich mit dem
Wasser zu erfrischen. So kalt das Nass auch war, es tat ihr gut, es ließ sie
ihre Lebendigkeit fühlen. Sie streifte sich den wärmenden Umhang ab, auch ein
wenig das Gewand darunter, sodass ihre Schultern und der Ansatz ihrer Brüste
freilagen. Ja, das Wasser hatte etwas Kraftvolles, Belebendes.
Und
plötzlich ein seltsames Gefühl – als würde sie aus dem Verborgenen beobachtet.
Sie bedeckte sich rasch wieder
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